Page - 117 - in Amerika
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hoffe, Sie nehmen die Sache nicht tragisch. Wie meinen Sie? Entlassen, ja,
entlassen. Aber ich sagte Ihnen doch, daß er seinen Posten verlassen hat.
Nein, da kann ich Ihnen wirklich nicht nachgeben, liebe Frau Oberköchin. Es
handelt sich um meine Autorität, da steht viel auf dem Spiel, so ein Junge
verdirbt mir die ganze Bande. Gerade bei den Liftjungen muß man teuflisch
aufpassen. Nein, nein, in diesem Falle kann ich Ihnen den Gefallen nicht tun,
so sehr ich es mir immer angelegen sein lasse, Ihnen gefällig zu sein. Und
wenn ich ihn schon trotz allem hier ließe, zu keinem anderen Zweck, als um
meine Galle in Tätigkeit zu erhalten, Ihretwegen, ja, Ihretwegen, Frau
Oberköchin, kann er nicht hierbleiben. Sie nehmen einen Anteil an ihm, den
er durchaus nicht verdient, und da ich nicht nur ihn kenne, sondern auch Sie,
weiß ich, daß das zu den schwersten Enttäuschungen für Sie führen müßte,
die ich Ihnen um jeden Preis ersparen will. Ich sage das ganz offen, obwohl
der verstockte Junge ein paar Schritte vor mir steht. Er wird entlassen, nein,
nein, Frau Oberköchin, er wird vollständig entlassen, nein, nein, er wird zu
keiner anderen Arbeit versetzt, er ist vollständig unbrauchbar. Übrigens laufen
ja auch sonst Beschwerden gegen ihn ein. Der Oberportier zum Beispiel, ja
also, was denn, Feodor, ja, Feodor beklagt sich über die Unhöflichkeit und
Frechheit dieses Jungen. Wie, das soll nicht genügen? Ja, liebe Frau
Oberköchin, Sie verleugnen wegen dieses Jungen Ihren Charakter. Nein, so
dürfen Sie mir nicht zusetzen.«
In diesem Augenblick beugte sich der Portier zum Ohr des Oberkellners
und flüsterte etwas. Der Oberkellner sah ihn zuerst erstaunt an und redete
dann so rasch in das Telephon, daß Karl ihn anfangs nicht ganz genau
verstand und auf den Fußspitzen zwei Schritte näher trat.
»Liebe Frau Oberköchin«, hieß es, »aufrichtig gesagt, ich hätte nicht
geglaubt, daß Sie eine so schlechte Menschenkennerin sind. Eben erfahre ich
etwas über Ihren Engelsjungen, was Ihre Meinung über ihn gründlich ändern
wird, und es tut mir fast leid, daß gerade ich es Ihnen sagen muß. Dieser feine
Junge also, den Sie ein Muster von Anstand nennen, läßt keine dienstfreie
Nacht vergehen, ohne in die Stadt zu laufen, aus der er erst am Morgen
wiederkommt. Ja, ja, Frau Oberköchin, das ist durch Zeugen bewiesen, durch
einwandfreie Zeugen, ja. Können Sie mir nun vielleicht sagen, wo er das Geld
zu diesen Lustbarkeiten hernimmt? Wie er die Aufmerksamkeit für seinen
Dienst behalten soll? Und wollen Sie vielleicht auch noch, daß ich Ihnen
beschreiben soll, was er in der Stadt treibt? Diesen Jungen loszuwerden will
ich mich aber ganz besonders beeilen. Und Sie, bitte, nehmen das als
Mahnung, wie vorsichtig man gegen hergelaufene Burschen sein soll.«
»Aber, Herr Oberkellner«, rief nun Karl, förmlich erleichtert durch den
großen Irrtum, der hier unterlaufen schien und der vielleicht am ehesten dazu
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik