Page - 135 - in Amerika
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möglich zu ihrer Herrschaft zu kommen, geradezu ineinandergefahren, jedes
wurde vom nachfolgenden vorwärtsgeschoben. Fußgänger, die es besonders
eilig hatten, auf die Straße zu gelangen, stiegen zwar hie und da durch die
einzelnen Automobile hindurch, als sei dort ein öffentlicher Durchgang, und
es war ihnen ganz gleichgültig, ob im Automobil nur der Chauffeur und die
Dienerschaft saß oder auch die vornehmsten Leute. Ein solches Benehmen
schien aber Karl doch übertrieben, und man mußte sich wohl in den
Verhältnissen schon auskennen, um das zu wagen; wie leicht konnte er an ein
Automobil geraten, dessen Insassen das übelnahmen, ihn hinunterwarfen und
einen Skandal veranlaßten, und nichts hatte er als ein entlaufener verdächtiger
Hotelangestellter in Hemdärmeln mehr zu fürchten. Schließlich konnte ja die
Reihe der Automobile nicht in Ewigkeit so fortgehen, und er war auch,
solange er sich ans Hotel hielt, eigentlich am wenigsten verdächtig.
Tatsächlich gelangte Karl endlich an eine Stelle, wo die Automobilreihe zwar
nicht aufhörte, aber zur Straße hin abbog und lockerer wurde. Gerade wollte
er in den Verkehr der Straße schlüpfen, in dem wohl noch viel verdächtiger
aussehende Leute, als er war, frei herumliefen, da hörte er in der Nähe seinen
Namen rufen. Er wandte sich um und sah, wie zwei ihm wohlbekannte
Liftjungen aus einer niedrigen, kleinen Türöffnung, die wie der Eingang einer
Gruft aussah, mit äußerster Anstrengung eine Bahre herauszogen, auf der, wie
Karl nun erkannte, wahrhaftig Robinson lag, Kopf, Gesicht und Arme
mannigfaltig umbunden. Es war häßlich anzusehen, wie er die Arme an die
Augen führte, um mit dem Verbande die Tränen abzuwischen, die er vor
Schmerzen oder vor sonstigem Leid oder gar vor Freude über das
Wiedersehen mit Karl vergoß.
»Roßmann«, rief er vorwurfsvoll, »warum läßt du mich denn so lange
warten! Schon eine Stunde verbringe ich damit, mich zu wehren, damit ich
nicht wegtransportiert werde, ehe du kommst. Diese Kerle« – und er gab dem
einen Liftjungen ein Kopfstück, als sei er durch die Verbände vor Schlägen
geschützt – »sind ja wahre Teufel. Ach, Roßmann, der Besuch bei dir ist mir
teuer zu stehen gekommen.«
»Was hat man dir denn gemacht?« sagte Karl und trat an die Bahre heran,
welche die Liftjungen, um sich auszuruhen, lachend niederstellten.
»Du fragst noch«, seufzte Robinson, »und siehst, wie ich ausschaue.
Bedenke, ich bin ja höchstwahrscheinlich für mein ganzes Leben zum
Krüppel geschlagen. Ich habe fürchterliche Schmerzen von hier bis hierher« –
und er zeigte zuerst auf den Kopf und dann auf die Zehen –, »ich möchte dir
wünschen, daß du gesehen hättest, wie ich aus der Nase geblutet habe. Meine
Weste ist ganz verdorben, die habe ich überhaupt dort gelassen, meine Hosen
sind zerfetzt, ich bin in Unterhosen« – und er lüftete die Decke ein wenig und
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik