Page - 139 - in Amerika
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dieser schien ihnen, obwohl er sie nicht beachtete, wegen seiner blauen
Hemdärmel der Wichtigste von allen zu sein.
An der Länge der Zeit, die bis zur Ankunft Delamarches verging, konnte
man die große Höhe dieses Hauses ermessen. Und Delamarche kam sogar
sehr eilig, mit nur flüchtig zugezogenem Schlafrock. »Also, da seid ihr!« rief
er erfreut und streng zugleich. Bei seinen großen Schritten enthüllte sich stets
für einen Augenblick seine farbige Unterkleidung. Karl begriff nicht ganz,
warum Delamarche hier, in der Stadt, in der riesigen Mietskaserne, auf der
offenen Straße, so bequem angezogen herumging, als sei er in seiner
Privatvilla. Ebenso wie Robinson hatte auch Delamarche sich sehr verändert.
Sein dunkles, glatt rasiertes, peinlich reines, von roh ausgearbeiteten Muskeln
gebildetes Gesicht sah stolz und respekteinflößend aus. Der grelle Schein
seiner jetzt immer etwas zusammengezogenen Augen überraschte. Sein
violetter Schlafrock war zwar alt, fleckig und für ihn zu groß, aber aus diesem
häßlichen Kleidungsstück bauschte sich oben eine mächtige, dunkle Krawatte
aus schwerer Seide.
»Nun?« fragte er alle insgesamt. Der Polizeimann trat ein wenig näher und
lehnte sich an den Motorkasten des Automobils. Karl gab eine kleine
Erklärung.
»Robinson ist ein wenig marod, aber wenn er sich Mühe gibt, wird er schon
die Treppen hinaufgehen können; der Chauffeur hier will noch eine
Nachzahlung zum Fahrgeld, das ich schon bezahlt habe. Und jetzt gehe ich.
Guten Tag.«
»Du gehst nicht«, sagte Delamarche.
»Ich habe es ihm auch schon gesagt«, meldete sich Robinson aus dem
Wagen.
»Ich gehe doch«, sagte Karl und machte ein paar Schritte. Aber
Delamarche war schon hinter ihm und schob ihn mit Gewalt zurück.
»Ich sage, du bleibst!« rief er.
»Aber laßt mich doch«, sagte Karl und machte sich bereit, wenn es nötig
sein sollte, mit den Fäusten sich die Freiheit zu verschaffen, so wenig
Aussicht auf Erfolg gegenüber einem Mann wie Delamarche auch war. Aber
da stand doch der Polizeimann, da war der Chauffeur, hie und da gingen
Arbeitergruppen durch die sonst freilich ruhige Straße; würde man es denn
dulden, daß ihm von Delamarche ein Unrecht geschehe? In einem Zimmer
hätte er mit ihm nicht allein sein wollen, aber hier? Delamarche zahlte jetzt
ruhig dem Chauffeur, der unter vielen Verbeugungen den unverdient großen
Betrag einsteckte und aus Dankbarkeit zu Robinson ging und mit diesem
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik