Page - 143 - in Amerika
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zurückgeben lassen.« Aber Delamarche sagte: »Dürfte ich die Bitte stellen,
mir den Jungen vorläufig zu überlassen, ich hätte einiges mit ihm in Ordnung
zu bringen. Ich verpflichte mich, ihn dann selbst ins Hotel zurückzuführen.«
»Das kann ich nicht tun«, sagte der Polizeimann.
Delamarche sagte: »Hier ist meine Visitenkarte«, und reichte ihm ein
Kärtchen.
Der Polizeimann sah es anerkennend an, sagte aber, verbindlich lächelnd:
»Nein, es ist vergeblich.«
So sehr sich Karl bisher vor Delamarche gehütet hatte, jetzt sah er in ihm
die einzig mögliche Rettung. Es war zwar verdächtig, wie sich dieser beim
Polizeimann um Karl bewarb, aber jedenfalls würde sich Delamarche leichter
als der Polizeimann bewegen lassen, ihn nicht ins Hotel zurückzuführen. Und
selbst wenn Karl an der Hand des Delamarche ins Hotel zurückkam, so war es
viel weniger schlimm, als wenn es in Begleitung des Polizeimannes geschah.
Vorläufig aber durfte natürlich Karl nicht zu erkennen geben, daß er
tatsächlich zu Delamarche wollte, sonst war alles verloren. Und unruhig sah
er auf die Hand des Polizeimannes, die sich jeden Augenblick erheben
konnte, um ihn zu fassen.
»Ich müßte doch wenigstens erfahren, warum er plötzlich entlassen worden
ist«, sagte schließlich der Polizeimann, während Delamarche mit
verdrießlichem Gesicht beiseite sah und die Visitenkarte zwischen den
Fingerspitzen zerdrückte.
»Aber er ist doch gar nicht entlassen!« rief Robinson zu allgemeiner
Überraschung und beugte sich, auf den Chauffeur gestützt möglichst weit aus
dem Wagen. »Im Gegenteil, er hat ja dort einen guten Posten. Im Schlafsaal
ist er der Oberste und kann hineinführen, wen er will. Nur ist er riesig
beschäftigt, und wenn man etwas von ihm haben will, muß man lange warten.
Immerfort steckt er beim Oberkellner, bei der Oberköchin und ist
Vertrauensperson. Entlassen ist er auf keinen Fall. Ich weiß nicht, warum er
das gesagt hat. Wie kann er denn entlassen sein? Ich habe mich im Hotel
schwer verletzt, und da hat er den Auftrag bekommen, mich nach Hause zu
schaffen, und weil er gerade ohne Rock war, ist er eben ohne Rock
mitgefahren. Ich konnte nicht noch warten, bis er den Rock holt.«
»Nun also«, sagte Delamarche mit ausgebreiteten Armen, in einem Ton, als
werfe er dem Polizeimann Mangel an Menschenkenntnis vor, und diese seine
zwei Worte schienen in die Unbestimmtheit der Aussage Robinsons eine
widerspruchslose Klarheit zu bringen.
»Ist das aber auch wahr?« fragte der Polizeimann schon schwächer. »Und
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik