Page - 144 - in Amerika
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wenn es wahr ist, warum gibt der Junge vor, entlassen zu sein?«
»Du sollst antworten«, sagte Delamarche.
Karl sah den Polizeimann an, der hier zwischen fremden, nur auf sich
selbst bedachten Leuten Ordnung schaffen sollte, und etwas von seinen
allgemeinen Sorgen ging auch auf Karl über. Er wollte nicht lügen und hielt
die Hände fest verschlungen auf dem Rücken.
In dem Tore erschien ein Aufseher und klatschte in die Hände, zum
Zeichen, daß die Gepäckträger wieder an ihre Arbeit gehen sollten. Sie
schütteten den Bodensatz aus ihren Kaffeetöpfen und zogen verstummend mit
schwankenden Schritten ins Haus.
»So kommen wir zu keinem Ende«, sagte der Polizeimann und wollte Karl
am Arm fassen. Karl wich unwillkürlich noch ein wenig zurück, fühlte den
freien Raum, der sich ihm infolge des Abmarsches der Gepäckträger eröffnet
hatte, wandte sich um und setzte sich unter einigen großen Anfangssprüngen
in Lauf. Die Kinder brachen in einen einzigen Schrei aus und liefen mit
ausgestreckten Ärmchen ein paar Schritte mit.
»Haltet ihn!« rief der Polizeimann die lange, fast leere Gasse hinab und lief
unter gleichmäßigem Ausstoßen dieses Rufes in geräuschlosem, große Kraft
und Übung verratendem Lauf hinter Karl her. Es war ein Glück für Karl, daß
die Verfolgung in einem Arbeiterviertel stattfand. Die Arbeiter halten es nicht
mit den Behörden. Karl lief mitten in der Fahrbahn, weil er dort die wenigsten
Hindernisse hatte, und sah nun hie und da auf dem Trottoir Arbeiter
stehenbleiben und ihn ruhig beobachten, während der Polizeimann ihnen sein
»Haltet ihn!« zurief und in seinem Lauf, er hielt sich klugerweise auf dem
glatten Trottoir, unaufhörlich den Stab gegen Karl hin ausstreckte. Karl hatte
wenig Hoffnung und verlor sie fast ganz, als der Polizeimann nun, da sie sich
Quergassen näherten, die gewiß auch Polizeipatrouillen enthielten, geradezu
betäubende Pfiffe ausstieß. Karls Vorteil war lediglich seine leichte Kleidung,
er flog, oder besser stürzte, die sich immer mehr senkende Straße hinab, nur
machte er, zerstreut infolge seiner Verschlafenheit, oft zu hohe, zeitraubende
und nutzlose Sprünge. Außerdem aber hatte der Polizeimann sein Ziel, ohne
nachdenken zu müssen, immer vor Augen, für Karl dagegen war der Lauf
doch eigentlich Nebensache, er mußte nachdenken, unter verschiedenen
Möglichkeiten auswählen, immer neu sich entschließen. Sein etwas
verzweifelter Plan war vorläufig, die Quergassen zu vermeiden, da man nicht
wissen konnte, was in ihnen steckte, vielleicht würde er da geradewegs in
eine Wachstube hineinlaufen; er wollte sich, solange es nur ging, an diese
weithin übersichtliche Straße halten, die erst tief unten in eine Brücke auslief,
die, kaum begonnen, in Wasser- und Sonnendunst verschwand. Gerade wollte
er sich nach diesem Entschluß zu schnellerem Lauf zusammennehmen, um
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik