Page - 154 - in Amerika
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Abend hat man doch die Schatten erkannt. Das war der Brunelda
unangenehm, und da habe ich einen ihrer Theatermäntel zu einem Vorhang
umarbeiten und statt des alten Vorhangs hier aufhängen müssen. Jetzt sieht
man gar nichts mehr. Dann habe ich früher immer fragen dürfen, ob ich schon
hineingehen darf, und man hat mir, je nach den Umständen, ja oder nein
geantwortet, aber dann habe ich das wahrscheinlich zu sehr ausgenutzt und zu
oft gefragt. Brunelda konnte das nicht ertragen – und sie ist trotz ihrer Dicke
sehr schwach veranlagt, Kopfschmerzen hat sie oft und Gicht in den Beinen
fast immer –, und so wurde bestimmt, daß ich nicht mehr fragen darf, sondern
daß, wenn ich hineingehen kann, auf die Tischglocke gedrückt wird. Das gibt
ein solches Läuten, daß es mich selbst aus dem Schlafe weckt – ich habe
einmal eine Katze zu meiner Unterhaltung hier gehabt, die ist vor Schrecken
über dieses Läuten weggelaufen und nicht mehr zurückgekommen; also,
geläutet hat es heute noch nicht, wenn es nämlich läutet, dann darf ich nicht
nur, sondern muß hineingehen – und wenn es einmal so lange nicht läutet,
dann kann es noch sehr lange dauern.«
»Ja«, sagte Karl, »aber was für dich gilt, muß doch noch nicht für mich
gelten. Überhaupt gilt so etwas nur für den, der es sich gefallen läßt.«
»Aber«, rief Robinson, »warum sollte denn das nicht auch für dich gelten?
Selbstverständlich gilt es auch für dich. Warte hier nur ruhig mit mir, bis es
läutet. Dann kannst du ja versuchen, ob du wegkommst.«
»Warum gehst du denn eigentlich nicht fort von hier? Nur deshalb, weil
Delamarche dein Freund ist oder, besser, war. Ist denn das ein Leben? Wäre
es da nicht in Butterford besser, wohin ihr zuerst wolltet? Oder gar in
Kalifornien, wo du Freunde hast?«
»Ja«, sagte Robinson, »das konnte niemand voraussehen.« Und ehe er
weiter erzählte, sagte er noch: »Auf dein Wohl, lieber Roßmann« und nahm
einen langen Zug aus der Parfümflasche. »Wir waren ja damals, wie du uns so
gemein hast sitzenlassen, sehr schlecht daran. Arbeit konnten wir in den
ersten Tagen keine bekommen, Delamarche übrigens wollte keine Arbeit, er
hätte sie schon bekommen, sondern schickte nur immer mich auf die Suche,
und ich habe kein Glück. Er hat sich nur so herumgetrieben, aber es war
schon fast Abend, da hatte er nur ein Damenportemonnaie mitgebracht. Es
war zwar sehr schön, aus Perlen, jetzt hat er es der Brunelda geschenkt, aber
es war fast nichts darin. Dann sagte er, wir sollten in die Wohnungen betteln
gehen, bei dieser Gelegenheit kann man natürlich manches Brauchbare
finden, wir sind also betteln gegangen, und ich habe, damit es besser aussieht,
vor den Wohnungstüren gesungen. Und wie schon Delamarche immer Glück
hat, kaum sind wir vor der zweiten Wohnung gestanden, einer sehr reichen
Wohnung im Parterre, und haben an der Tür der Köchin und dem Diener
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik