Page - 168 - in Amerika
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Aus dem Gasthaus unten war ein Kellner getreten, und aus der Türschwelle
hin und her eilend, nahm er die Bestellungen der Führer entgegen. Man sah,
wie er sich streckte, um das Innere des Lokals zu übersehen und möglichst
viel Bedienung herbeizurufen. Während dieser offenbar einem großen
Freitrinken dienenden Vorbereitungen ließ der Kandidat nicht vom Reden ab.
Sein Träger, der riesige, nur ihm dienende Mann, machte immer nach einigen
Sätzen eine kleine Drehung, um die Rede allen Teilen der Menge zukommen
zu lassen. Der Kandidat hielt sich meist ganz zusammengekrümmt und
versuchte mit ruckweisen Bewegungen der einen freien Hand und des
Zylinders in der anderen seinen Worten möglichste Eindringlichkeit zu geben.
Manchmal aber, in fast regelmäßigen Zwischenräumen, durchfuhr es ihn, er
erhob sich mit ausgebreiteten Armen, er redete nicht mehr eine Gruppe,
sondern die Gesamtheit an, er sprach zu den Bewohnern der Häuser bis zu
den höchsten Stockwerken hinauf, und doch war es vollkommen klar, daß ihn
schon in den untersten Stockwerken niemand hören konnte; ja, daß ihm auch,
wenn die Möglichkeit gewesen wäre, niemand hätte zuhören wollen, denn
jedes Fenster und jeder Balkon war doch zumindest von einem schreienden
Redner besetzt. Inzwischen brachten einige Kellner aus dem Gasthaus ein mit
gefüllten leuchtenden Gläsern besetztes Brett, im Umfang eines Billards,
hervor. Die Führer organisierten die Verteilung, die in Form eines
Vorbeimarsches an der Gasthaustür erfolgte. Aber obwohl die Gläser auf dem
Brett immer wieder nachgefüllt wurden, genügten sie für die Menge nicht,
und zwei Reihen von Schankburschen mußten rechts und links vom Brett
durchschlüpfen und die Menge weiterhin versorgen. Der Kandidat hatte
natürlich mit dem Reden aufgehört und benützte die Pause, um sich neu zu
kräftigen. Abseits von der Menge und dem grellen Licht trug ihn sein Träger
langsam hin und her, und nur einige seiner nächsten Anhänger begleiteten ihn
dort und sprachen zu ihm hinauf.
»Sieh mal den Kleinen«, sagte Brunelda, »er vergißt vor lauter Schauen,
wo er ist.« Und sie überraschte Karl und drehte mit beiden Händen sein
Gesicht sich zu, so daß sie ihm in die Augen sah. Es dauerte aber nur einen
Augenblick, denn Karl schüttelte gleich ihre Hände ab, und ärgerlich darüber,
daß man ihn nicht ein Weilchen in Ruhe ließ, und gleichzeitig voll Lust, auf
die Straße zu gehen und alles von der Nähe anzusehen, suchte er sich nun mit
aller Kraft vom Druck Bruneldas zu befreien und sagte:
»Bitte, lassen Sie mich weg.«
»Du wirst bei uns bleiben«, sagte Delamarche, ohne den Blick von der
Straße zu wenden, und streckte nur eine Hand aus, um Karl am Weggehen zu
verhindern.
»Laß nur«, sagte Brunelda und wehrte die Hand des Delamarche ab, »er
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik