Page - 169 - in Amerika
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bleibt ja schon.« Und sie drĂŒckte Karl noch fester ans GelĂ€nder, er hĂ€tte mit
ihr raufen mĂŒssen, um sich von ihr zu befreien. Und wenn ihm das auch
gelungen wÀre, was hÀtte er damit erreicht! Links von ihm stand Delamarche,
rechts hatte sich nun Robinson aufgestellt, er war in einer regelrechten
Gefangenschaft. »Sei froh, daà man dich nicht hinauswirft«, sagte Robinson
und beklopfte Karl mit der Hand, die er unter Bruneldas Arm durchgezogen
hatte.
»Hinauswirft?« sagte Delamarche. »Einen entlaufenen Dieb wirft man
nicht hinaus, den ĂŒbergibt man der Polizei. Und das kann ihm gleich morgen
frĂŒh geschehen, wenn er nicht ganz ruhig ist.«
Von diesem Augenblick an hatte Karl an dem Schauspiel unten keine
Freude mehr. Nur gezwungen, weil er Bruneldas wegen sich nicht aufrichten
konnte, beugte er sich ein wenig ĂŒber das GelĂ€nder. Voll eigener Sorgen, mit
zerstreuten Blicken sah er die Leute unten an, die in Gruppen von etwa
zwanzig Mann vor die GasthaustĂŒre traten, die GlĂ€ser ergriffen, sich
umdrehten und diese GlÀser in der Richtung gegen den jetzt mit sich
beschÀftigten Kandidaten schwenkten, einen Parteigruà ausriefen, die GlÀser
leerten und sie, jedenfalls dröhnend, in dieser Höhe aber unhörbar, auf das
Brett wieder niedersetzten, um einer neuen, vor Ungeduld lÀrmenden Gruppe
Platz zu machen. Ăber Auftrag der FĂŒhrer war die Kapelle, die bisher im
Gasthaus gespielt hatte, auf die Gasse getreten, ihre groĂen Blasinstrumente
strahlten aus der dunklen Menge, aber ihr Spiel verging fast im allgemeinen
LĂ€rm. Die StraĂe war nun, wenigstens auf der Seite, wo sich das Gasthaus
befand, weithin mit Menschen angefĂŒllt. Von oben, woher Karl am Morgen
im Automobil gekommen war, strömten sie herab, von unten, von der BrĂŒcke
her, liefen sie herauf, und selbst die Leute in den HĂ€usern hatten der
Verlockung nicht widerstehen können, in diese Angelegenheit mit eigenen
HĂ€nden einzugreifen, auf den Balkonen und in den Fenstern waren fast nur
Frauen und Kinder zurĂŒckgeblieben, wĂ€hrend die MĂ€nner unten aus den
Haustoren drÀngten. Nun aber hatte die Musik und die Bewirtung ihren
Zweck erreicht, die Versammlung war genĂŒgend groĂ, ein von zwei
Automobillaternen flankierter FĂŒhrer winkte der Musik ab, stieĂ einen starken
Pfiff aus, und nun sah man den ein wenig abgeirrten TrÀger mit dem
Kandidaten durch einen von AnhÀngern gebannten Weg eiligst
herbeikommen.
Kaum war er bei der GasthaustĂŒre, begann der Kandidat im Schein der nun
im engen Kreis um ihn gehaltenen Automobillaternen seine neue Rede. Aber
nun war alles viel schwieriger als frĂŒher, der TrĂ€ger hatte nicht die geringste
Bewegungsfreiheit mehr, das GedrĂ€nge war zu groĂ. Die nĂ€chsten AnhĂ€nger,
die frĂŒher mit allen möglichen Mitteln die Wirkung der Reden des
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, ErzÀhlung
- Categories
- Weiteres Belletristik