Page - 176 - in Amerika
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»Wer sind Sie denn?« sagte der Mann, legte den Federhalter in das vor ihm
geöffnete Buch und trat an das Geländer. »Wie heißen Sie? Wie kommen Sie
zu den Leuten? Sind Sie schon lange hier? Was wollen Sie denn anschauen?
Drehen Sie doch Ihre Glühlampe dort auf, damit man Sie sehen kann.«
Karl tat dies, zog aber, ehe er antwortete, noch den Vorhang der Tür fester
zu, damit man im Innern nichts merken konnte. »Verzeihen Sie«, sagte er
dann im Flüsterton, »daß ich so leise rede. Wenn mich die drinnen hören,
habe ich wieder einen Krawall.«
»Wieder?« fragte der Mann.
»Ja«, sagte Karl, »ich habe ja erst abends einen großen Streit mit ihnen
gehabt. Ich muß da noch eine fürchterliche Beule haben.« Und er tastete
hinten seinen Kopf ab.
»Was war denn das für ein Streit?« fragte der Mann und fügte, da Karl
nicht gleich antwortete, hinzu: »Mir können Sie ruhig alles anvertrauen, was
Sie gegen diese Herrschaften auf dem Herzen haben. Ich hasse sie nämlich
alle drei, und ganz besonders Ihre Madame. Es sollte mich übrigens wundern,
wenn man Sie nicht schon gegen mich gehetzt hätte. Ich heiße Josef Mendel
und bin Student.«
»Ja«, sagte Karl, »erzählt hat man mir schon von Ihnen, aber nichts
Schlimmes. Sie haben wohl einmal Frau Brunelda behandelt, nicht wahr?«
»Das stimmt«, sagte der Student und lachte. »Riecht das Kanapee noch
danach?«
»O ja«, sagte Karl.
»Das freut mich aber«, sagte der Student und fuhr mit der Hand durchs
Haar. »Und warum macht man Ihnen Beulen?«
»Es war ein Streit«, sagte Karl im Nachdenken darüber, wie er es dem
Studenten erklären sollte. Dann aber unterbrach er sich und sagte: »Störe ich
Sie denn nicht?«
»Erstens«, sagte der Student, »haben Sie mich schon gestört, und ich bin
leider so nervös, daß ich lange Zeit brauche, um mich wieder
zurechtzufinden. Seit Sie da Ihre Spaziergänge auf dem Balkon angefangen
haben, komme ich mit dem Studieren nicht vorwärts. Zweitens aber mache
ich um drei Uhr immer eine Pause. Erzählen Sie also nur ruhig. Es interessiert
mich auch.«
»Es ist ganz einfach«, sagte Karl. »Delamarche will, daß ich bei ihm
Diener werde. Aber ich will nicht. Ich wäre am liebsten noch gleich abends
weggegangen. Er wollte mich nicht lassen, hat die Tür abgesperrt, ich wollte
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik