Page - 180 - in Amerika
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»Unbedingt«, sagte der Student und senkte schon den Kopf zu seinen
Büchern. Es schien, als hätte gar nicht er das Wort gesagt; wie von einer
Stimme gesprochen, die tiefer war als jene des Studenten, klang es noch in
Karls Ohren nach. Langsam ging er zum Vorhang, warf noch einen Blick auf
den Studenten, der jetzt ganz unbeweglich, von der großen Finsternis
umgeben, in seinem Lichtschein saß, und schlüpfte ins Zimmer. Die vereinten
Atemzüge der drei Schläfer empfingen ihn. Er suchte die Wand entlang das
Kanapee, und als er es gefunden hatte, streckte er sich ruhig auf ihm aus, als
sei es sein gewohntes Lager. Da ihm der Student, der den Delamarche und die
hiesigen Verhältnisse genau kannte und überdies ein gebildeter Mann war,
geraten hatte, hier zu bleiben, hatte er vorläufig keine Bedenken. So hohe
Ziele wie der Student hatte er nicht, wer weiß, ob es ihm sogar zu Hause
gelungen wäre, das Studium zu Ende zu führen, und wenn es zu Hause kaum
möglich schien, so konnte niemand verlangen, daß er es hier im fremden
Lande tue. Die Hoffnung aber, einen Posten zu finden, in dem er etwas leisten
und für seine Leistungen anerkannt werden könnte, war gewiß größer, wenn
er vorläufig die Dienerstelle bei Delamarche annahm und aus dieser
Sicherheit heraus eine günstige Gelegenheit abwartete. Es schienen sich ja in
dieser Straße viele Büros mittleren und unteren Ranges zu befinden, die
vielleicht im Falle des Bedarfes bei der Auswahl ihres Personals nicht gar zu
wählerisch waren. Er wollte ja gern, wenn es sein mußte, Geschäftsdiener
werden, aber schließlich war es ja gar nicht ausgeschlossen, daß er auch für
reine Büroarbeiten aufgenommen werden konnte und einstmals als
Bürobeamter an seinem Schreibtisch sitzen und ohne Sorgen ein Weilchen
lang aus dem offenen Fenster schauen würde wie jener Beamte, den er heute
früh beim Durchmarsch durch die Höfe gesehen hatte. Beruhigend fiel ihm
ein, als er die Augen schloß, daß er doch jung war und daß Delamarche ihn
doch einmal freigeben würde; dieser Haushalt sah ja wirklich nicht danach
aus, als sei er für die Ewigkeit gemacht. Wenn aber Karl einmal einen solchen
Posten in einem Büro hätte, dann wollte er sich mit nichts anderem
beschäftigen als mit seinen Büroarbeiten und nicht die Kräfte zersplittern wie
der Student. Wenn es nötig sein sollte, wollte er auch die Nacht fürs Büro
verwenden, was man ja im Beginn bei seiner geringen kaufmännischen
Vorbildung sowieso von ihm verlangen würde. Er wollte nur an das Interesse
des Geschäftes denken, dem er zu dienen hätte und allen Arbeiten sich
unterziehen, selbst solchen, die andere Bürobeamte als ihrer nicht würdig
zurückweisen würden. Die guten Vorsätze drängten sich in seinem Kopf, als
stehe sein künftiger Chef vor dem Kanapee und lese sie von seinem Gesicht
ab.
In solchen Gedanken schlief Karl ein und nur im ersten Halbschlaf störte
ihn noch ein gewaltiges Seufzen Bruneldas, die, scheinbar von schweren
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik