Page - 191 - in Amerika
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»Sie haben doch nicht Negro aufgeschrieben?« fuhr ihn der Leiter an.
»Ja, Negro«, sagte der Schreiber ruhig und machte eine Handbewegung, als
habe nun der Leiter das Weitere zu veranlassen. Der Leiter bezwang sich
auch, stand auf und sagte: »Sie sind also für das Theater von Oklahoma –«,
aber weiter kam er nicht, er konnte nichts gegen sein Gewissen tun, setzte
sich und sagte: »Er heißt nicht Negro.«
Der Schreiber zog die Augenbrauen in die Höhe, stand nun selbst auf und
sagte: »Dann teile also ich Ihnen mit, daß Sie für das Theater in Oklahoma
aufgenommen sind und daß man Sie jetzt unserem Führer vorstellen wird.«
Wieder wurde ein Diener gerufen, der Karl zur Schiedsrichtertribüne
führte.
Unten an der Treppe sah Karl den Kinderwagen, und gerade kam auch das
Ehepaar herunter, die Frau mit dem Kind auf dem Arm.
»Sind Sie aufgenommen?« fragte der Mann, er war viel lebhafter als früher,
auch die Frau sah ihm lachend über die Schulter. Als Karl antwortete, eben sei
er aufgenommen worden und gehe zur Vorstellung, sagte der Mann: »Dann
gratuliere ich. Auch wir sind aufgenommen worden. Es scheint ein gutes
Unternehmen zu sein, allerdings kann man sich nicht gleich in alles einfinden,
so ist es aber überall.« Sie sagten einander noch »Auf Wiedersehen«, und
Karl stieg zur Tribüne hinauf. Er ging langsam, denn der kleine Raum oben
schien von Leuten überfüllt zu sein, und er wollte sich nicht eindrängen. Er
blieb sogar stehen und überblickte das große Rennfeld, das auf allen Seiten
bis an ferne Wälder reichte. Ihn erfaßte die Lust, einmal ein Pferderennen zu
sehen, er hatte in Amerika noch keine Gelegenheit dazu gefunden. In Europa
war er einmal als kleines Kind zu einem Rennen mitgenommen worden,
konnte sich aber an nichts anderes erinnern, als daß er von der Mutter
zwischen vielen Menschen, die nicht auseinanderweichen wollten,
durchgezogen worden war. Er hatte also eigentlich überhaupt noch kein
Rennen gesehen. Hinter ihm fing eine Maschinerie zu schnurren an, er drehte
sich um und sah auf dem Apparat, auf dem beim Rennen die Namen der
Sieger veröffentlicht werden, jetzt folgende Aufschrift in die Höhe ziehen:
»Kaufmann Kalla mit Frau und Kind.« Hier wurden also die Namen der
Aufgenommenen den Kanzleien mitgeteilt.
Gerade liefen einige Herren, lebhaft miteinander sprechend, Bleistifte und
Notizblätter in den Händen, die Treppe hinunter, Karl drückte sich ans
Geländer, um sie vorbeizulassen, und stieg, da nun oben Platz geworden war,
hinauf. In einer Ecke der mit Holzgeländern versehenen Plattform – das
Ganze sah wie das flache Dach eines schmalen Turmes aus – saß, die Arme
entlang des Holzgeländers ausgestreckt, ein Herr, dem ein breites weißes
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik