Page - 203 - in Amerika
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noch die Plätze, zu denen Robinson schon kommandiert worden war, aber er
fand ebensowenig das Parfüm wie Robinson, der eifriger als er suchte, seitlich
nach Delamarche ausschaute, der, so weit der Raum reichte, stampfend im
Zimmer auf und ab ging und gewiß am liebsten sowohl Karl wie Robinson
durchgeprügelt hätte.
»Delamarche!« rief Brunelda. »Komm mich doch wenigstens abtrocknen!
Die beiden finden ja das Parfüm doch nicht und bringen nur alles in
Unordnung. Sie sollen sofort mit dem Suchen aufhören. Aber gleich! Und
alles aus der Hand legen! Und nichts mehr anrühren! Sie möchten wohl aus
der Wohnung einen Stall machen. Nimm sie beim Kragen, Delamarche, wenn
sie nicht aufhören! Aber sie arbeiten ja noch immer, gerade ist eine Schachtel
gefallen. Sie sollen sie nicht mehr aufheben, alles liegenlassen, und aus dem
Zimmer hinaus! Riegle hinter ihnen die Tür zu und komm zu mir. Ich liege ja
schon viel zu lange im Wasser, die Beine habe ich schon ganz kalt.«
»Gleich, Brunelda, gleich!« rief Delamarche und eilte mit Karl und
Robinson zur Tür. Ehe er sie aber entließ, gab er ihnen den Auftrag, das
Frühstück zu holen und womöglich von jemandem ein gutes Parfüm für
Brunelda auszuborgen.
»Das ist eine Unordnung und ein Schmutz bei euch«, sagte Karl draußen
auf dem Gang, »sobald wir mit dem Frühstück zurückkommen, müssen wir
zu ordnen anfangen.«
»Wenn ich nur nicht so leidend wäre!« sagte Robinson. »Und die
Behandlung!« Gewiß kränkte sich Robinson darüber, daß Brunelda zwischen
ihm, der sie doch schon monatelang bediente, und Karl, der erst gestern
eingetreten war, nicht den geringsten Unterschied machte. Aber er verdiente
es nicht besser, und Karl sagte: »Du mußt dich ein wenig zusammennehmen.«
Um ihn aber nicht gänzlich seiner Verzweiflung zu überlassen, fügte er hinzu:
»Es wird ja nur eine einmalige Arbeit sein. Ich werde dir hinter den Kasten
ein Lager machen, und wenn nur einmal alles ein wenig geordnet ist, wirst du
dort den ganzen Tag liegen können, dich um gar nichts kümmern müssen und
sehr bald gesund werden.«
»Jetzt siehst du es also selbst ein, wie es mit mir steht«, sagte Robinson und
wandte das Gesicht von Karl ab, um mit sich und seinem Leid allein zu sein.
»Aber werden sie mich denn jemals ruhig liegenlassen?«
»Wenn du willst, werde ich darüber selbst mit Delamarche und Brunelda
reden.«
»Nimmt denn Brunelda irgendeine Rücksicht?« rief Robinson aus und stieß
mit der Faust eine Tür auf, zu der sie eben gekommen waren, ohne daß er
Karl darauf vorbereitet hätte.
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik