Page - 205 - in Amerika
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Ringsherum, auf Sesseln und Fußbänkchen, auf und unter den Tischen, ja
selbst auf der Erde in einem Winkel zusammengedrängt, stand noch das
ungewaschene Frühstücksgeschirr der Mieter. Da waren Kännchen, in denen
sich noch ein wenig Kaffee oder Milch vorfinden würde, auf manchen
Tellerchen gab es noch Überbleibsel von Butter, aus einer umgefallenen
großen Blechbüchse waren Keks weit herausgerollt. Es war schon möglich,
aus all dem ein Frühstück zusammenzustellen, an dem Brunelda, wenn sie
seinen Ursprung nicht erfuhr, nicht das geringste hätte aussetzen können. Als
Karl das bedachte und ein Blick auf die Uhr ihm zeigte, daß sie nun schon
eine halbe Stunde hier warteten und Brunelda vielleicht wütete und
Delamarche gegen die Dienerschaft aufhetzte, rief gerade die Frau aus einem
Husten heraus – während dessen sie Karl anstarrte –: »Ihr könnt hier schon
sitzen, aber das Frühstück bekommt ihr nicht. Dagegen bekommt ihr in zwei
Stunden das Nachtmahl.«
»Komm, Robinson«, sagte Karl, »wir werden uns das Frühstück selbst
zusammenstellen.« »Wie?« rief die Frau, mit geneigtem Kopf. »Seien Sie
doch, bitte, vernünftig«, sagte Karl, »warum wollen Sie uns denn das
Frühstück nicht geben? Nun warten wir schon eine halbe Stunde, das ist lang
genug. Man bezahlt Ihnen doch alles, und gewiß zahlen wir bessere Preise als
alle anderen. Daß wir so spät frühstücken, ist gewiß für Sie lästig, aber wir
sind Ihre Mieter, haben die Gewohnheit, spät zu frühstücken, und Sie müssen
sich eben auch ein wenig für uns einrichten. Heute wird es Ihnen natürlich
wegen der Krankheit Ihres Fräulein Tochter besonders schwer, aber dafür sind
wir wieder bereit, uns das Frühstück hier aus den Überbleibseln
zusammenzustellen, wenn es nicht anders geht und Sie uns kein frisches
Essen geben.«
Aber die Frau wollte sich mit niemandem in eine freundschaftliche
Aussprache einlassen, für diese Mieter schienen ihr auch noch die
Überbleibsel des allgemeinen Frühstücks zu gut; aber andererseits hatte sie
die Zudringlichkeit der beiden Diener schon satt, packte deshalb eine Tasse
und stieß sie Robinson gegen den Leib, der erst nach einem Weilchen mit
wehleidigem Gesicht begriff, daß er die Tasse halten sollte, um das Essen, das
die Frau aussuchen wollte, in Empfang zu nehmen. Sie belud nun die Tasse in
größter Eile zwar mit einer Menge von Dingen, aber das Ganze sah eher wie
ein Haufen schmutzigen Geschirrs, nicht wie ein eben zu servierendes
Frühstück aus. Noch während die Frau sie hinausdrängte und sie gebückt, als
fürchteten sie Schimpfwörter oder Stöße, zur Tür eilten, nahm Karl die Tasse
Robinson aus den Händen, denn bei Robinson schien sie ihm nicht sicher
genug.
Auf dem Gang setzte sich Karl, nachdem sie weit genug von der Tür der
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik