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leider nicht der Fall war. Dann faßte Karl mit gutem Mut den Griff des
Wagens und schob ihn aus dem Tor. Der Student sah ihnen so lange nach, als
sie noch zu sehen waren, und winkte mit einem Tuch. Karl nickte oft grüßend
zurück, auch Brunelda hätte sich gerne umgewandt, aber solche Bewegungen
waren für sie zu anstrengend. Um ihr doch noch einen letzten Abschied zu
ermöglichen, führte Karl am Ende der Straße den Wagen in einem Kreis
herum, so daß auch Brunelda den Studenten sehen konnte, der diese
Gelegenheit ausnutzte, um mit dem Tuch besonders eifrig zu winken.
Dann aber sagte Karl, jetzt dürften sie sich keinen Aufenthalt mehr gönnen,
der Weg sei lang, und sie seien viel später ausgefahren, als es beabsichtigt
war. Tatsächlich sah man schon hie und da Fuhrwerke und, wenn auch sehr
vereinzelt, Leute, die zur Arbeit gingen. Karl hatte mit seiner Bemerkung
nichts weiter sagen wollen, als was er wirklich gesagt hatte, Brunelda aber
faßte es in ihrem Zartgefühl anders auf und bedeckte sich ganz und gar mit
ihrem grauen Tuch. Karl wandte nichts dagegen ein; der mit einem grauen
Tuch bedeckte Handwagen war zwar sehr auffällig, aber unvergleichlich
weniger auffällig, als es die unbedeckte Brunelda gewesen wäre. Er fuhr sehr
vorsichtig; ehe er um eine Ecke bog, beobachtete er die nächste Straße, ließ
sogar, wenn es nötig schien, den Wagen stehen, und ging allein ein paar
Schritte voraus, sah er irgendeine vielleicht unangenehme Begegnung voraus,
so wartete er, bis sie sich vermeiden ließ, oder wählte sogar den Weg durch
eine ganz andere Straße. Selbst dann kam er, da er alle möglichen Wege
vorher genau studiert hatte, niemals in die Gefahr, einen bedeutenden Umweg
zu machen. Allerdings erschienen Hindernisse, die zwar zu befürchten
gewesen waren, sich aber im einzelnen nicht hatten vorhersehen lassen. So
trat plötzlich in einer Straße, die, leicht ansteigend, weit zu überblicken und
erfreulicherweise vollständig leer war – ein Vorteil, den Karl durch besondere
Eile auszunutzen suchte –, aus dem dunklen Winkel eines Haustores ein
Polizeimann und fragte Karl, was er denn in dem so sorgfältig verdeckten
Wagen führe. So streng er aber Karl angesehen hatte, so mußte er doch
lächeln, als er die Decke lüftete und das erhitzte, ängstliche Gesicht Bruneldas
erblickte. »Wie?« sagte er. »Ich dachte, du hättest hier zehn Kartoffelsäcke,
und jetzt ist es ein einziges Frauenzimmer? Wohin fahrt ihr denn? Wer seid
ihr?« Brunelda wagte gar nicht, den Polizeimann anzusehen, sondern blickte
nur immer auf Karl mit dem deutlichen Zweifel, daß selbst er sie nicht werde
erretten können. Karl aber hatte schon Erfahrungen genug mit Polizisten, ihm
schien das Ganze nicht sehr gefährlich. »Zeigen Sie doch, Fräulein«, sagte er,
»das Schriftstück, das Sie bekommen haben.« »Ach ja«, sagte Brunelda und
begann in einer so hoffnungslosen Weise zu suchen, daß sie wirklich
verdächtig erscheinen mußte. »Das Fräulein«, sagte der Polizist mit
zweifelloser Ironie, »wird das Schriftstück nicht finden.« »O ja«, sagte Karl
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik