Page - 210 - in Amerika
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ruhig, »sie hat es bestimmt, sie hat es nur verlegt.« Er begann nun selbst zu
suchen und zog es tatsächlich hinter Bruneldas Rücken hervor. Der Polizist
sah es nur flüchtig an. »Da ist es also«, sagte der Polizist lächelnd. »So ein
Fräulein ist das Fräulein? Und Sie, Kleiner, besorgen die Vermittlung und den
Transport? Wissen Sie wirklich keine bessere Beschäftigung zu finden?« Karl
zuckte bloß die Achseln, das waren wieder die bekannten Einmischungen der
Polizei. »Na, glückliche Reise«, sagte der Polizeimann, als er keine Antwort
bekam. In den Worten des Polizeimanns lag wahrscheinlich Verachtung, dafür
fuhr auch Karl ohne Gruß weiter, Verachtung der Polizei war besser als ihre
Aufmerksamkeit.
Kurz darauf hatte er eine womöglich noch unangenehmere Begegnung. Es
machte sich nämlich an ihn ein Mann heran, der einen Wagen mit großen
Milchkannen vor sich herschob und äußerst gern erfahren hätte, was unter
dem grauen Tuch auf Karls Wagen lag. Es war nicht anzunehmen, daß er den
gleichen Weg wie Karl hatte, dennoch aber blieb er ihm zur Seite, so
überraschende Wendungen Karl auch machte. Zuerst begnügte er sich mit
Ausrufen, wie zum Beispiel »Du mußt eine schwere Last haben!« oder »Du
hast schlecht aufgeladen, oben wird etwas herausfallen!«. Später aber fragte
er geradezu: »Was hast du denn unter dem Tuch?« Karl sagte: »Was
kümmert’s dich?« Aber da das den Mann noch neugieriger machte, sagte Karl
schließlich: »Es sind Äpfel.« »Soviel Äpfel!« sagte der Mann staunend und
hörte nicht auf, diesen Ausruf zu wiederholen. »Das ist ja eine ganze Ernte«,
sagte er dann. »Nun ja«, sagte Karl. Aber sei es, daß er Karl nicht glaubte, sei
es, daß er ihn ärgern wollte, er ging noch weiter, begann – alles während der
Fahrt – die Hand wie zum Scherz nach dem Tuch auszustrecken und wagte es
endlich sogar, an dem Tuch zu zupfen. Was mußte Brunelda leiden! Aus
Rücksicht auf sie wollte sich Karl in keinen Streit mit dem Mann einlassen
und fuhr in das nächste offene Tor ein, als sei das sein Ziel gewesen. »Hier
bin ich zu Hause«, sagte er, »Dank für die Begleitung.« Der Mann blieb
erstaunt vor dem Tor stehen und sah Karl nach, der ruhig daran ging, wenn es
sein mußte, den ganzen ersten Hof zu durchqueren. Der Mann konnte nicht
mehr zweifeln, aber um seiner Bosheit ein letztes Mal zu genügen, ließ er
seinen Wagen stehen, lief Karl auf den Fußspitzen nach und riß so stark an
dem Tuch, daß er Bruneldas Gesicht fast entblößt hätte. »Damit deine Äpfel
Luft bekommen«, sagte er und lief zurück. Auch das nahm Karl noch hin, da
es ihn endgültig von dem Mann befreite. Er führte dann den Wagen in einen
Hofwinkel, wo einige große, leere Kisten standen, in deren Schutz er unter
dem Tuch Brunelda einige beruhigende Worte sagen wollte. Aber er mußte
lange auf sie einreden, denn sie war ganz in Tränen und flehte ihn allen
Ernstes an, hier, hinter den Kisten, den ganzen Tag zu bleiben und erst in der
Nacht weiterzufahren. Vielleicht hätte er allein sie gar nicht davon
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik