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ruhig, »sie hat es bestimmt, sie hat es nur verlegt.« Er begann nun selbst zu suchen und zog es tatsächlich hinter Bruneldas Rücken hervor. Der Polizist sah es nur flüchtig an. »Da ist es also«, sagte der Polizist lächelnd. »So ein Fräulein ist das Fräulein? Und Sie, Kleiner, besorgen die Vermittlung und den Transport? Wissen Sie wirklich keine bessere Beschäftigung zu finden?« Karl zuckte bloß die Achseln, das waren wieder die bekannten Einmischungen der Polizei. »Na, glückliche Reise«, sagte der Polizeimann, als er keine Antwort bekam. In den Worten des Polizeimanns lag wahrscheinlich Verachtung, dafür fuhr auch Karl ohne Gruß weiter, Verachtung der Polizei war besser als ihre Aufmerksamkeit. Kurz darauf hatte er eine womöglich noch unangenehmere Begegnung. Es machte sich nämlich an ihn ein Mann heran, der einen Wagen mit großen Milchkannen vor sich herschob und äußerst gern erfahren hätte, was unter dem grauen Tuch auf Karls Wagen lag. Es war nicht anzunehmen, daß er den gleichen Weg wie Karl hatte, dennoch aber blieb er ihm zur Seite, so überraschende Wendungen Karl auch machte. Zuerst begnügte er sich mit Ausrufen, wie zum Beispiel »Du mußt eine schwere Last haben!« oder »Du hast schlecht aufgeladen, oben wird etwas herausfallen!«. Später aber fragte er geradezu: »Was hast du denn unter dem Tuch?« Karl sagte: »Was kümmert’s dich?« Aber da das den Mann noch neugieriger machte, sagte Karl schließlich: »Es sind Äpfel.« »Soviel Äpfel!« sagte der Mann staunend und hörte nicht auf, diesen Ausruf zu wiederholen. »Das ist ja eine ganze Ernte«, sagte er dann. »Nun ja«, sagte Karl. Aber sei es, daß er Karl nicht glaubte, sei es, daß er ihn ärgern wollte, er ging noch weiter, begann – alles während der Fahrt – die Hand wie zum Scherz nach dem Tuch auszustrecken und wagte es endlich sogar, an dem Tuch zu zupfen. Was mußte Brunelda leiden! Aus Rücksicht auf sie wollte sich Karl in keinen Streit mit dem Mann einlassen und fuhr in das nächste offene Tor ein, als sei das sein Ziel gewesen. »Hier bin ich zu Hause«, sagte er, »Dank für die Begleitung.« Der Mann blieb erstaunt vor dem Tor stehen und sah Karl nach, der ruhig daran ging, wenn es sein mußte, den ganzen ersten Hof zu durchqueren. Der Mann konnte nicht mehr zweifeln, aber um seiner Bosheit ein letztes Mal zu genügen, ließ er seinen Wagen stehen, lief Karl auf den Fußspitzen nach und riß so stark an dem Tuch, daß er Bruneldas Gesicht fast entblößt hätte. »Damit deine Äpfel Luft bekommen«, sagte er und lief zurück. Auch das nahm Karl noch hin, da es ihn endgültig von dem Mann befreite. Er führte dann den Wagen in einen Hofwinkel, wo einige große, leere Kisten standen, in deren Schutz er unter dem Tuch Brunelda einige beruhigende Worte sagen wollte. Aber er mußte lange auf sie einreden, denn sie war ganz in Tränen und flehte ihn allen Ernstes an, hier, hinter den Kisten, den ganzen Tag zu bleiben und erst in der Nacht weiterzufahren. Vielleicht hätte er allein sie gar nicht davon 210
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Amerika
Title
Amerika
Author
Franz Kafka
Date
1927
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
212
Keywords
Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Der Heizer 3
  2. Der Onkel 26
  3. Ein Landhaus bei New York 38
  4. Weg nach Ramses 67
  5. Hotel Occidental 89
  6. Der Fall Robinson 105
  7. Ein Asyl 137
  8. Das Naturtheater von Oklahoma 182
  9. Fragmente 199
    1. I. 199
    2. II. Ausreise Bruneldas 208
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