Page - 211 - in Amerika
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überzeugen können, wie verfehlt das gewesen wäre, als aber jemand am
anderen Ende des Kistenhaufens eine leere Kiste unter ungeheuerem, im
leeren Hof widerhallendem Lärm zu Boden warf, erschrak sie so, daß sie,
ohne ein Wort mehr zu wagen, das Tuch über sich zog und wahrscheinlich
glückselig war, als Karl, kurz entschlossen, sofort zu fahren begann.
Die Straßen wurden jetzt immer belebter, aber die Aufmerksamkeit, die der
Wagen erregte, war nicht so groß, wie Karl befürchtet hatte. Vielleicht wäre
es überhaupt klüger gewesen, eine andere Zeit für den Transport zu wählen.
Wenn eine solche Fahrt wieder nötig werden sollte, wollte sich Karl getrauen,
sie in der Mittagsstunde auszuführen. Ohne schwerer belästigt worden zu
sein, bog er endlich in die schmale, dunkle Gasse ein, in der das Unternehmen
Nummer 25 sich befand. Vor der Tür stand der schielende Verwalter mit der
Uhr in der Hand. »Bist du immer so unpünktlich?« fragte er. »Es gab
verschiedene Hindernisse«, sagte Karl. »Die gibt es bekanntlich immer«,
sagte der Verwalter. »Hier im Hause gelten sie aber nicht. Merk dir das!« Auf
solche Reden hörte Karl kaum mehr hin, jeder nützte seine Macht aus und
beschimpfte den Niedrigen. War man einmal daran gewöhnt, klang es nicht
anders als das regelmäßige Uhrenschlagen. Wohl aber erschreckte ihn, als er
jetzt den Wagen in den Flur schob, der Schmutz, der hier herrschte und den er
allerdings erwartet hatte. Es war, wenn man näher zusah, kein faßbarer
Schmutz. Der Steinboden des Flurs war fast rein gekehrt, die Malerei der
Wände nicht alt, die künstlichen Palmen nur wenig verstaubt, und doch war
alles fettig und abstoßend, es war, als wäre von allem ein schlechter Gebrauch
gemacht worden und als wäre keine Reinlichkeit mehr imstande, das wieder
gutzumachen. Karl dachte gern, wenn er irgendwohin kam, darüber nach, was
hier verbessert werden könne und welche Freude es sein müßte, sofort
einzugreifen, ohne Rücksicht auf die vielleicht endlose Arbeit, die es
verursachen würde. Hier aber wußte er nicht, was zu tun wäre. Langsam
nahm er das Tuch von Brunelda ab. »Willkommen, Fräulein«, sagte der
Verwalter geziert, es war kein Zweifel, daß Brunelda einen guten Eindruck
auf ihn machte. Sobald Brunelda dies merkte, verstand sie das, wie Karl
befriedigt sah, gleich auszunutzen. Alle Angst der letzten Stunden
verschwand.
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik