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Da war diese Leichtigkeit und Offenheit des modernen amerikanischen Lebens
auf der einen Seite, verbunden mit seltsamen »Tabus«, die »das Geistige« regel-
ten und vor allem das Geschlechtliche betrafen auf der anderen.25 In Holly-
woods hochstandardisierter Filmbranche manifestierten sich diese Mentalitäten
noch deutlicher als anderswo :
Taboos und Zensur : VerhĂĽllte Propaganda fĂĽr die bestehende (kapitalistische) Welt-
ordnung, die als Garantie des LebensglĂĽcks geschildert und gepriesen wird. KleinbĂĽr-
gerliche Moralität. Optimismus. Aufstiegsmöglichkeit der benachteiligten Klassen
und Individuen. Ăśbergang in die faschistische Ideologie, fĂĽr den KleinbĂĽrger zurecht-
gemacht.26
Salka und Berthold Viertel blieben dem »American way of life« gegenüber skep-
tisch. Sie waren nicht willens, sich widerspruchslos in die Gesellschaft Holly-
woods einzufügen und um des Profites Willen anzupassen. Insofern hörten sie
nicht auf, sich als »Strangers« zu fühlen, die ihren »persistent Europeanism«
nicht verständlich machen konnten. Ihre Söhne hingegen wurden entschieden
und bewusst zu Amerikanern.27 Berthold Viertel schloss in seiner Kritik an
Hollywood als ganz auf Konsum und falschen Schein abgestellte Industrie klar
an seine schon in Europa eingenommenen Gegenpositionen zum »Mainstream«
an und betonte zunehmend kulturelle Differenzen.
Aber in Hollywood wurde mir vollends klar, dass ich eine Ware war, die dem, der sie
verkaufen wollte, unerwartete und unnĂĽtze Schwierigkeiten bereitete. Wenn von
zweien, die miteinander arbeiten, der eine nur an die Endgestalt des Produktes, der
andere nur an den finanziellen Ertrag denkt, so werden sie sich umso tiefer missver-
stehen, je mehr sie beide Fanatiker ihrer Pflicht sindÂ
– wenn sie auch dieselben Worte
gebrauchen, sie meinen nicht dasselbe.28
Salka Viertel fasste die Stimmung anekdotisch, wenn sie in ihren Erinnerungen
schrieb, dass ihr Mann auf der Toilette der Fox-Studios Kants Kritik der reinen
Vernunft las, um nicht »wahnsinnig« zu werden.29 Die ersten vier Jahre in Holly-
25 BV, Im Zaubersumpf, in : Bolbecher, Viertels Welt, 1988, 26–27.
26 BV, Hollywood, o.D., 156., K12.
27 Viertel, The Kindness of Strangers, New York u.a. 1969, 135, 149, 154 ; Viertel, Peter, Dangerous
FriendsÂ
– Hemingway, Huston, and others, London 1993, 76–77 ; Spaulding, E. Wilder, The Quiet
Invaders. The Story of the Austrian Impact upon America, Wien 1968 ; Kraut, Alan M., Doing as
Americans Do, in : The Journal of American History, December 2014, 707–725.
28 BV, o.T. Der amerikanische Horizont, o.D., o.S., K13, A : Viertel, DLA.
29 Viertel, Das unbelehrbare Herz, 1970, 218.
Berthold Viertel
Eine Biografie der Wiener Moderne
- Title
- Berthold Viertel
- Subtitle
- Eine Biografie der Wiener Moderne
- Author
- Katharina Prager
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20832-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 368
- Category
- Biographien
Table of contents
- Ein chronologischer Ăśberblick 7
- Einleitend 19
- 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
- 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
- Moderne in Wien 99
- Monarchisches GefĂĽhl 118
- Galizien 129
- JĂĽdisches Wien 139
- Katholische Dienstmädchen 150
- Deutsche Kultur 161
- Luegers Wien 173
- MitschĂĽler Hitler 184
- Jugendliche Kulturanarchisten 196
- Familie Adler 209
- Studium 228
- Sexuelle Emancipation 245
- Karl Kraus 268
- Theater 291
- Erster Weltkrieg 310
- Nachsatz 333
- Archivalien 336
- Dank 342
- Literaturverzeichnis 344
- Bildnachweis 358
- Personenregister 359