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österreichische 
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Dem Bahnhof gegenĂĽber lag in dichtem Nebel die Gegend, in der Viertel
aufgewachsen war. Im Taxi fuhr der eben Angekommene durch die StraĂźen der
Kindheit im sechsten Wiener Gemeindebezirk :
Silhouette der Kirche in der KaiserstraĂźe, Zeugin meiner Kindheit. Wie klein und
verblasst steht das da, im Winternebel. Fahrt im Auto ĂĽber MariahilferstraĂźe, vorbei
an M.[ariahilfer] Kirche, Haydndenkmal zum Opernring. Ruine der Oper. Habe seit
dem Besuch Deutschlands im vorigen März schlechte, missgünstige Augen für Rui-
nen, blicke weg von ihnen, verächtlich.4
In der Pension Opernring, die auf ihn »seltsam desorganisiert« wirkte, stieg
Viertel ab. Aus seinem dicken, schwarzen Notizbuch, ĂĽberschrieben mit Wien,
Ankunft Dez. 1948 geht hervor, dass er kurz nach seiner Ankunft dort nochmals
aufbrach, um in Begleitung seines BĂĽhnenbildners Teo Otto einen fĂĽr ihn um
1900 eminent wichtigen Ort wiederzusehen : »Später mit Otto, nehme ich, trotz
Müdigkeit immer rascher gehend, fast laufend, den Weg zum Café Central. Es
ist leer, gewesen, auch das.«5 Das Café Central war um 1900 mehr als ein Kaf-
feehaus – es war eine Schnittstelle für verschiedenste Denkschulen, Kreise und
intellektuelle Milieus gewesen. 1948 erschien es als »Abfallhaufen«, wie Teo
Otto es formulierte, der als Zeuge diese Wiederbegegnung etwas verklärt doku-
mentierte.6 Viertel war es hingegen wichtig, Nostalgie und Verklärung gerade
jetzt nicht nachzugeben. In den folgenden Wochen bildete das »gewesene« Café
Central den Ausgangspunkt für seine Reflexionen : Wie konnte er – kommend
aus dem Wien der Jahrhundertwende – an das Wien von 1948 anknüpfen ? Es
wĂĽrde schwer werden :
Da lag es, leer und wüst, und hinter den verstaubten Fensterscheiben […]. Es sieht so
aus, als könnte ich, indem ich davon erzähle, nur mit Lesern reden, die mein Alter
erreicht haben, die daher wissen, von wem und von was die Rede ist. Was sollte es die
anderen bekĂĽmmern, jene, die heute jung sind, und die besten Falls von den Namen
der Männer, denen damals meine höchste Bewunderung galt, etwas haben läuten
hören […]. Sie haben die Schriften jener Männer nicht gelesen, sie würden große
den Thron bestiegen hatte (Ă–sterreichische Zeitung, Das Kleine Volksblatt, Wiener Zeitung, Die Presse
und Wiener KurierÂ
– alle 4.Â
Dezember 1948).
4 BV, Arbeits-/Notizheft Wien, Ankunft Dez. 1948, 5. Dezember 1948, 69.3142/43, K24, A : Viertel,
DLA.
5 Ibid.
6 Otto, Teo, Berthold Viertels Heimkehr, o.D., o.S., K21, A : Viertel, DLA.
Berthold Viertel
Eine Biografie der Wiener Moderne
- Title
- Berthold Viertel
- Subtitle
- Eine Biografie der Wiener Moderne
- Author
- Katharina Prager
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20832-7
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 368
- Category
- Biographien
Table of contents
- Ein chronologischer Ăśberblick 7
- Einleitend 19
- 1. BERTHOLD VIERTELS RĂśCKKEHR IN DIE Ă–STERREICHISCHE MODERNE DURCH EXIL UND REMIGRATION
- 2. ERINNERUNGSORTE DER WIENER MODERNE
- Moderne in Wien 99
- Monarchisches GefĂĽhl 118
- Galizien 129
- JĂĽdisches Wien 139
- Katholische Dienstmädchen 150
- Deutsche Kultur 161
- Luegers Wien 173
- MitschĂĽler Hitler 184
- Jugendliche Kulturanarchisten 196
- Familie Adler 209
- Studium 228
- Sexuelle Emancipation 245
- Karl Kraus 268
- Theater 291
- Erster Weltkrieg 310
- Nachsatz 333
- Archivalien 336
- Dank 342
- Literaturverzeichnis 344
- Bildnachweis 358
- Personenregister 359