Page - 16 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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dokumentarischen Fund endgültig entzogen werden; solange uns dieses
Dokument fehlt, muß jener 22. April 1500 als der Tag des Eintritts dieser
neuen Nation in die Weltgeschichte gelten.
Der erste Eindruck des neuen Landes auf die gelandeten Seeleute ist
ausgezeichnet: fruchtbare Erde, milde Winde, frisches, trinkbares Wasser,
reichliche Früchte, eine freundliche, ungefährliche Bevölkerung. Wer immer
in den nächsten Jahren in Brasilien landet, wiederholt die hymnischen Worte
Amerigo Vespuccis, der, ein Jahr nach Cabral dort eintreffend, ausruft: »Wenn
irgendwo auf Erden das irdische Paradies existiert, so kann es nicht weit von
hier gelegen sein!« Die Einwohner, die den Entdeckern im Unschuldskleid
der Nacktheit in den nächsten Tagen entgegentreten und ihre unbedeckten
Körper »com tanta innocencia como o rostro«, mit ebensoviel
Unbefangenheit wie ihr Gesicht darbieten, bereiten ihnen freundlichen
Empfang. Neugierig und friedlich drängen die Männer heran, aber
insbesondere sind es die Frauen, die durch ihre Wohlgebautheit und (auch von
allen späteren Chronisten dankbar gerühmte) rasche und wahllose
Gefälligkeit die Seefahrer die Entbehrungen vieler Wochen vergessen lassen.
Zu einer wirklichen Erforschung oder Besetzung des inneren Landes kommt
es vorläufig noch nicht, denn Cabral muß nach Erfüllung seines geheimen
Auftrags möglichst rasch an sein offizielles Ziel, nach Indien weiter. Am 2.
Mai, nach einem Aufenthalt von im ganzen zehn Tagen, steuert er nach
Afrika hinüber, nachdem er Gaspar de Lemos Befehl gegeben, mit einem
Schiff die Küste nordwärts entlangzukreuzen und dann mit der Nachricht über
das aufgefundene Land und einigen Proben seiner Früchte, Pflanzen und
Tiere nach Lissabon zurückzukehren.
Die Meldung, daß die Flotte Cabrals dieses neue Land, sei es in Erfüllung
geheimen Auftrages, sei es durch bloßen Zufall erreicht hat, wird im
königlichen Palast wohlgefällig, aber ohne richtige Begeisterung
aufgenommen. Man meldet sie in offiziellen Briefen an den König von
Spanien weiter, um sich den Rechtstitel des Besitzes zu wahren, jedoch die
Mitteilung, daß dies neue Land sem ouro nem prata, nem nenhuma cousa de
metal sei, gibt dem Funde zunächst wenig Wert. Portugal hat in den letzten
Jahrzehnten so viele Länderentdeckt und einen so gewaltigen Teil des
Weltalls in Besitz genommen, daß die Aufnahmsfähigkeit des kleinen Landes
eigentlich völlig erschöpft ist. Der neue Seeweg nach Indien sichert ihm das
Gewürzmonopol und damit allein schon unermeßlichen Reichtum; man weiß
in Lissabon, daß in Calicut, in Malakka die seit Hunderten von Jahren
sagenhaft gewordene Pracht an Edelsteinen, kostbaren Stoffen, Porzellan und
Spezereien für einen kühnen Zugriff bereitliegt, und die Ungeduld, mit einem
Ruck diese ganze Welt überlegener Kultur und orientalischer Pracht an sich
zu reißen, treibt Portugal zu einer Anspannung des Wagemuts und des
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197