Page - 17 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Heroismus, wie sie in der Weltgeschichte kaum ihresgleichen hat. Selbst die
»Lusiaden«, dieses Heldengedicht, vermögen kaum dieses Abenteuer, diesen
neuen Alexanderzug begreiflich zu machen, den eine Handvoll Menschen
unternimmt, um mit einem Dutzend winziger Schiffe gleichzeitig drei Erdteile
und noch dazu den ganzen unbekannten Ozean zu erobern. Denn das kleine
arme Portugal, kaum zweihundert Jahre erst der arabischen Herrschaft
entrungen, besitzt kein bares Geld, immer wenn er eine Flotte ausrüstet, muß
der König im voraus den Ertrag Wechslern und Händlern verpfänden. Es hat
außerdem nicht genug Soldaten, um gleichzeitig die Araber, die Inder, die
Malaien, die Afrikaner, die Wilden, zu bekriegen und an allen Orten der drei
Erdteile Niederlassungen und Festungen zu errichten. Und doch, wie durch
ein Wunder holt Portugal aus sich alle diese Kräfte heraus. Ritter, Bauern und,
wie Columbus einmal ärgerlich klagt, sogar »Schneider« verlassen ihre
Häuser, ihre Frauen, ihre Kinder, ihre Berufe und strömen aus dem ganzen
Land zu den Häfen, und es schreckt sie nicht, daß nach Barros’ berühmtem
Wort »der Ozean das häufigste Grab der Portugiesen« wird. Denn das Wort
Indien hat magische Macht. Der König weiß, ein Schiff, das von diesem
Golkonda zurückkehrt, zahlt für zehn, die verlorengehen, ein Mann, der die
Stürme, die Schiffbrüche, die Kämpfe, die Krankheiten übersteht, ist reich für
sich und seine Nachfahren. Nun, da die Tür gesprengt ist zur Schatzkammer
der damaligen Welt, will keiner in der pequena casa des Vaterlands
zurückbleiben, und die Einhelligkeit dieses Willens gibt Portugal eine Ekstase
der Kraft und des Muts, die für ein Jahrhundert das Unmögliche möglich, das
Unwahrscheinliche zur Wahrheit macht.
In diesem Tumult der Leidenschaften wird ein so welthistorisches
Geschehnis wie die Entdeckung Brasiliens kaum bemerkt, und nichts ist für
die Geringschätzung dieser Tatsache charakteristischer, als daß Camões in
seinem Heldengedicht unter den Tausenden von Zeilen nicht mit einer
einzigen der Auffindung oder Existenz Brasiliens überhaupt Erwähnung tut.
Die Seeleute Vasco da Gamas haben kostbare Stoffe mitgebracht, Juwelen,
Edelsteine und Gewürze und vor allem die Nachricht, daß tausendmal und
tausendmal mehr an solcher Beute in den Palästen der Zamorins und der
Radjahs bereitliegt. Wie arm dagegen ist die Beute des Gaspar de Lemos – ein
paar bunte Papageien, einige Proben Holz, ein paar Früchte und die
ernüchternde Kunde, daß man den nackten Menschen dort nichts nehmen
könnte. Er hat kein Staubkörnchen Gold gebracht, keinen einzigen Edelstein,
keine Gewürze, nichts von diesen Kostbarkeiten, von denen eine Handvoll
wertvoller ist als ganze Wälder Brasilholz, Schätze, die sich mit ein paar
Schwerthieben, ein paar Kanonenschüssen leicht erraffen lassen, während die
Baumstämme erst gefällt werden müssen, ehe man sie versägen, verschiffen
und dann verkaufen kann. Wenn diese Ilha oder Terra de Santa Cruz
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197