Page - 52 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Putsche ehrgeiziger Generäle und leidenschaftlicher Politiker in Europa viel
an Kredit verloren. 1840 denkt man nicht mehr daran, eine Erzherzogin ĂĽber
das unruhige Meer in ein noch unruhigeres Land zu schicken, und selbst unter
den Prinzessinnen minderer Kategorie zeigt keine einzige Neigung zu dieser
ĂĽberseeischen Kaiserkrone. Nachdem er ein ganzes Jahr vergeblich in Wien
antichambriert, muĂź der Brautwerber sich zufriedengeben, eine
napoletanische Prinzessin mit wenig Schönheit und wenig Geld, dafür aber
reicher an Jahren als ihr zukĂĽnftiger Gatte, fĂĽr den jungen Monarchen
heimzubringen.
Aber diesmal wie sooft haben die berufsmäßigen Politiker sich in ihren
Prognosen geirrt; dieser junge Monarch wird beinahe ein halbes Jahrhundert
lang friedlich regieren und eine an sich schwierige Position mit WĂĽrde und
unter allseitiger Achtung behaupten. Pedro II. ist dem Wesen nach eine
kontemplative Natur, eher ein auf den Thron verschlagener Privatgelehrter
oder Bibliothekar als ein Mann der Politik oder der Armee. Ein wahrhafter
Humanist von anständiger Gesinnung, für dessen Ehrgeiz es höheres Glück
ist, einen Brief von Manzoni, Victor Hugo oder Pasteur zu erhalten, als bei
militärischen Paraden zu glänzen oder Siege zu erfechten, hält er sich –
obwohl äußerlich durch seinen schönen Bart und sein würdiges Auftreten sehr
eindrucksvoll – möglichst im Hintergrund und verbringt seine glücklichsten
Stunden in PetrĂłpolis bei seinen Blumen oder in Europa mit BĂĽchern und in
Museen. Seine persönliche Haltung ist – und damit wirkt er durchaus im
Geiste seines Landes – konziliatorisch, und der einzige Krieg, den er während
seiner langen Regierungszeit zu führen genötigt war, – der Kampf gegen
Lopez, den aggressiven Militärdiktator von Paraguay – endet nach dem Siege
mit einer vollkommenen Versöhnung des Nachbarstaates, sogar die
militärischen Trophäen werden dem besiegten Lande freiwillig
zurückgegeben. Durch die äußerlich imposante, innerlich vorsichtig farblose
Haltung des Kaisers, durch die staatsmännische Überlegenheit Rio Brancos,
der alle Grenzkonflikte durch Schiedsgerichte und internationale
Vereinbarungen zu schlichten weiĂź, durch den sichtlich steigenden Reichtum
des Landes, das, statt seine Grenzen gewaltsam zu erweitern, eine innere
Konsolidierung anstrebt, erzwingt sich Brasilien in diesen fĂĽnfzig
Regierungsjahren Dom Pedro II. eine ganz neue Respektstellung in der Welt.
Ein einziger Konflikt freilich ist durch alle diese Jahre nicht zu lösen, weil
er mit seiner Spitze bis hart an den Lebensnerv des Landes reicht und eine
allzu radikale Operation, einen unberechenbaren Kraft- und Blutverlust
bedeuten wĂĽrde: das Problem der Sklaverei. Seit Anbeginn ist die ganze
landwirtschaftliche und industrielle Produktion Brasiliens einzig auf
Sklavenarbeit fundiert; noch besitzt das Land weder genug Maschinen noch
freie Arbeiter, um diese Millionen schwarzer Hände zu ersetzen. Aber
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen StraĂźen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf SĂŁo Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug ĂĽber den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197