Page - 60 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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derentwillen man das Land manchmal auch Terra dos Papagaios nannte. Erst
bei der zweiten Reise entdeckte man ein Fertigprodukt, das allenfalls einen
Handel mit diesem entlegenen Lande lohnen konnte, das Brasilholz. Dieses
Holz, Brasil genannt von brasa, schwelen oder glühen, weil es in seiner
Schnittfläche rötlich leuchtet, war eigentlich als Holz nicht so verwertbar wie
als Färbemittel, aber als solches, da man andere Farbstoffe nicht kannte, wie
jede exotische Ware im Handel sehr gesucht.
Einen regulären Export des pau-brasil selbst zu übernehmen, ist die
portugiesische Regierung zu beschäftigt. Für sie, die ihre ganze militärische
und maritime Kraft einsetzt, die Schatzkammern der indischen Fürsten
aufzusprengen, bedeutet das Holzmonopol ein zu kleines und andererseits
mühsames Geschäft. Der Umschlag ist zwar lohnend. Für ein Quintal dieses
Färbholzes, das sich in Lissabon mit allen Frachtspesen und Risiken auf einen
halben Dukaten stellt, kann man in Frankreich oder auf den holländischen
Märkten zweieinhalb oder drei Dukaten lösen. Aber die Krone braucht für
ihre größeren und großartigen Unternehmungen rasch ausmünzbaren Gewinn.
So zieht sie es vor, das Holzmonopol an einen der reichsten unter den cristãos
novos, an Fernando de Noronha gegen Barzahlung zu verpachten, der dann
gemeinsam mit seinen geflüchteten Glaubensbrüdern in Pernambuco den
Handel organisiert. Aber auch unter seiner Führung bleibt es ein Handel in
kleinen Dimensionen und kann keinesfalls einer werden, der zu geregelter
Kolonisierung und zur Etablierung großer Faktoreien anreizen könnte. Ein
bloßer Färbstoff reicht nicht aus, um eine Besiedlung dieses immerhin
weitabgelegenen Landes in Schwung zu bringen. Soll sich Brasilien als
produzierender Faktor im Weltmarkt entwickeln, so muß man zuvor ein neues
und ergiebigeres Absatzprodukt finden und der kurze Zyklus des pau-
brasil von einem geschwinder und gewichtiger umlaufenden abgelöst werden.
Ein solches Produkt besitzt nun Brasilien – oder vielmehr jener schmale
Streifen an der Küste, der bisher erforscht ist zur Zeit seiner Entdeckung noch
nicht. Um fruchtbar zu werden für die europäische Wirtschaft, muß dieses
Land zuerst von Europa befruchtet werden. Alles was in seinen üppigen
Zonen wachsen und gedeihen soll an Pflanzen und Produkten, muß erst
umgesiedelt und angesiedelt werden, und dazu bedarf es überdies noch eines
besonderen Düngers, des Menschen. Von der ersten Lebensstunde an ergibt
sich für Brasilien der Mensch, der Kolonist, der Siedler in der Form des
belebenden, befruchtenden Elements als die notwendigste aller
Notwendigkeiten. Was Brasilien hervorbringen soll, muß ihm von Europa
gebracht und gelehrt werden. Aber alles, was ihm dieses leihen wird an
Pflanzen und Menschenkräften, gibt die neue Erde dann mit tausendfacher
Verzinsung dem alten Erdteil zurück. Indes also die überseeischen Länder des
Orients, in denen aufgestapelte Schätze zu holen, zu rauben, zu greifen sind,
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197