Page - 62 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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neue Ware jeden Preis. Mit einem Schlage wird Brasilien nun auf dem
Weltmarkt wichtig. Da die Spesen dieser primitiven Fabrikation beinahe
gleich Null sind, denn die Erde kostet nichts, die Pflanze kostet nichts, und
die Sklaven in den engenhos sind die billigsten aller Arbeitstiere, schießen die
Gewinne wild empor und der Reichtum, den Brasilien – oder vielmehr
Portugal – aus diesen Betrieben zieht, wird unermeßlich. Von Woche zu
Woche erweitert und steigert sich die Produktion; durch drei Jahrhunderte ist
Brasiliens Vormacht- und Monopolstellung auf diesem Gebiet nicht mehr zu
erschüttern; was für gigantische Ziffern der Export schließlich erreicht, zeigt
das eine Beispiel, daß in manchen Jahren Brasilien Zucker im Verkaufswert
von drei Millionen englischer Pfund exportiert, eine Summe, die höher war
als der gleichzeitige Gesamtexport Englands. Erst gegen Ende des
achtzehnten Jahrhunderts beginnen die Gewinne abzusinken, weil Brasilien
sich durch Überproduktion den Kaufpreis seines weißen Goldes verdirbt. Wie
alle anderen Kolonialprodukte, der Pfeffer, der Tee, der Gummi, wird, was
zuerst durch Seltenheit eine Kostbarkeit gewesen, infolge der Überproduktion
zur Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit. Die Einführung des
Rübenzuckers gibt der großen Konjunktur dann den letzten Stoß, aber der
»Zyklus« des Zuckers hat seine ökonomische Aufgabe in der
Wirtschaftsgeschichte Brasiliens glänzend erfüllt und der Niedergang des
Hauptprodukts kommt schon zu spät, um die bereits auf andere Produkte
umgestellte Wirtschaft zu gefährden. An dem einen schwachen Rohr, das die
ersten Schiffe von der alten Welt herüberbrachten, ist Brasilien aufrecht durch
drei Jahrhunderte geschritten und genügend erstarkt, um ohne diese Stützung
seinen Weg weiter zu gehen.
Ein zweites Exportprodukt schließt sich bald an, in gewissem Sinne ähnlich
dem andern, weil gleichfalls einem neuen europäischen Laster dienend: der
Tabak. Schon Columbus hatte die ersten Eingeborenen rauchend gefunden,
und andere Seefahrer haben die sonderbare Gewohnheit mit nach der Heimat
hinübergebracht. Den Europäern scheint dies Kauen und Schmauchen und
Schnupfen eines braunen Krautes zunächst eine barbarische Sitte. Man
verhöhnt und verachtet die Matrosen, wenn sie zwischen den Zähnen diese
dicken Rollen schmatzen und den braunen schmutzigen Saft wegspucken.
Man verlacht als Narren die wenigen Amateure, die mit ihren Tonpfeifen die
Luft verqualmen, und in guter Gesellschaft, vor allem bei Hofe, herrscht
strenges Verbot. Es geschieht darum nicht aus Lust oder modischer
Nachäfferei, daß sich Europa plötzlich an den Tabak gewöhnt, sondern aus
Angst. In den Schreckenstagen, da die großen Seuchen in rascher Folge die
verschiedensten Städte Europas heimsuchen und entvölkern, glauben viele –
da sie von Bazillen noch nichts ahnen – sich am besten vor Ansteckung zu
schützen, indem sie fortwährend schmauchen und durch ein Gift das andere
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197