Page - 66 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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verpackt und verschifft, hier etablieren sich die ersten Kontore, und nah
diesen tropisch aufwachsenden Städten schließen sich um des bequemeren
Transports willen die ergiebigsten Engenhos und Plantagen zusammen. Wer
1600, 1650 und eigentlich noch um 1700 in Europa den Namen Brasilien
ausspricht, meint damit nichts anderes als den Norden und dort eigentlich
nichts als die Küste mit ihren schon weltbekannten Hafenstädten, ihrem
Zucker, ihrem Kakao, ihrem Tabak, ihrem Handel, ihrem Geschäft. Daß
inzwischen im Hinterland – unsichtbar der Neugier der Schiffahrer und
Händler durch die hohe Bergkette – eine vielleicht kommerziell weniger
ergiebige, aber ungleich gesündere Entwicklung eingesetzt hat, ahnt noch
niemand in Europa und nicht einmal der König von Portugal. Diese planvolle
und in zähem systematischem Eifer geförderte Besiedlung des Landes durch
seine eigenen angestammten Bewohner ist die Großtat der Jesuiten für
Brasilien. Um Jahrhunderte den königlichen Fiskalbeamten und habsüchtigen
Maklern vorausblickend, für die nur Gewinn bedeutet, was sich rasch
ausmünzen läßt, haben sie hellsichtig erkannt, daß das wirtschaftliche
Fundament eines Volkes auf die Dauer nicht auf den unsicheren Konjunkturen
einzelner Monopolartikel und nicht einzig auf der Helotenarbeit gekaufter
Sklaven beruhen kann; ein Land, das sich aufbauen will, muß zuerst lernen,
die Erde zu bebauen und sie als die eigene zu empfinden. Die
Großartigkeit dieser Unternehmung kann nur von zwei Flächen aus richtig
betrachtet werden: von ihrem Anbeginn aus dem Nichts und von ihrem
endgültigen, heute der Welt offenbaren Resultat. Nur aus der tausendjährigen
und ewigen Urform der Landwirtschaft und Viehzucht konnte eine gesunde
Nationalökonomie sich entwickeln; daß gerade die noch völlig nomadischen
Stämme zu dieser notwendigsten Arbeit erzogen werden konnten, bedeutet im
Moralischen den wahren Anbeginn der brasilianischen Nation.
Diese Arbeit beginnt bei Null. Als Nóbrega und Anchieta ins Land
kommen, fehlen außer der Erde, die niemand bebaut, außer den
Eingeborenen, die noch nicht wissen, sie zu bebauen, die bindenden und
verbindenden Kräfte. Nichts ist vorhanden, alles muß erst über das Meer
gebracht werden, jedes Stück Vieh, jede Kuh, jedes Kalb, jedes Schwein,
jeder Hammer, jede Säge, jeder Nagel, jeder Spaten, jeder Rechen und dazu
noch die Pflanzen und die Samen, und dann erst müssen mühselig diese
nackten und kindlichen Wesen gelehrt werden, wie zu pflügen, wie zu ernten,
wie Ställe zu bauen für das Vieh und wie das Vieh zu behandeln. Ehe sie sie
noch recht belehren können, Christen zu werden, müssen die Jesuiten die
Eingeborenen zuerst in der Arbeit unterweisen und, ehe mit den
Grundbegriffen des Glaubens, sie mit dem Willen zur Arbeit durchdringen.
Was für die Jesuiten in der Ferne ein geistiger Plan größten Stiles gewesen,
verwandelt sich zu einer kleinen und mühsamen Geduldsarbeit, wie sie nur
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197