Page - 153 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Steigerungskoeffizient aus im Mietwert, der allein von 1910 von 43 137
Kontos auf fast das Zwanzigfache mit zirka 800 000 emporgeklettert ist. Jede
Stunde mindestens vier neue Häuser, das ist heute das ungefähre
Entwicklungstempo dieser Stadt, die, seit die Industrie dem Kaffee die
Königsherrschaft entrissen hat, mehr als 4 500 Fabriken in sich vereinigt und
faktisch mehr oder minder das ganze merkantile Leben des Landes unter
seiner Führung hält.
Was sind die Ursachen, die einen solchen phantastischen Aufstieg
bedingten und heute noch befördern? Im wesentlichen dieselben
geographischen und klimatischen, die den Gründer Nóbrega vor vierhundert
Jahren diesen Raum als den geeignetsten für eine gesunde und rasche
Expansion in ganz Brasilien wählen ließen. Einer der besten Häfen
Südamerikas, Santos, liegt nahe, das Hochplateau erleichtert den Verkehr
nach allen Richtungen, das große Strombett des Paraná und La Plata ist leicht
erreichbar, die Erde, die sogenannte terra roxa, fruchtbar und jeder Art der
Anpflanzung willig, die hydro-elektrische Kraft im Überfluß vorhanden und
überdies wohlfeil; dies alles allein schon genug, um das rapide Wachstum
innerhalb eines sich selbst ständig potenzierenden Landes zu erklären. Aber
der entscheidende Faktor war von Anfang an das Klima, das, zwar mit Sonne
gesättigt, auf diesem achthundert Meter hohen Plateau doch niemals jene
erschlaffende Wirkung auf die Arbeitskraft übt wie in den tropischen Zonen
und den nieder gelegenen Küstenstädten. Schon im siebzehnten Jahrhundert
hatte es sich erwiesen, daß der paulista energischer, tatkräftiger, aktiver
gesinnt sich entwickelte als die übrigen Brasilianer. Die eigentlichen Träger
der nationalen Energie, erobern und entdecken sie das Land,semper novarum
rerum cupidi, und dieser Wille zum Wagnis, zu Fortschritt und Expansion hat
sich in späteren Jahrhunderten dem Handelswesen und der Industrie vererbt.
Das eigentliche Vorwärtstempo bringen dann die Immigranten in den letzten
Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts. Unwillkürlich sucht der
Immigrant Lebensbedingungen und eine klimatische Einstellung, die der
seinen gemäß ist; die Italiener, die den Hauptstock der Zuwanderung bilden,
finden in São Paulo das Klima von Norditalien, von Mittelitalien und die
Sonne des Südens wieder. Sie müssen sich nicht umstellen, nicht umlernen;
ungebrochen bringen sie ihre ganze Stoßkraft mit sich und verstärken sie eher
noch im neuen Lande. Denn der Einwanderer ist immer ungeduldiger
vorwärtszukommen als der Ansässige, er besitzt nichts Ererbtes, von dem er
ausrastend leben und zehren könnte, sondern muß alles erst erwerben. Das
steigert sein Tempo, seinen Energieeinsatz. Und dieser Einschuß von Tatkraft
und Wagemut reißt dann die andern mit; gerade die arbeitswilligsten, die
ambitiösesten Brasilianer etablieren sich in São Paulo, wo sie diese höher
zivilisierten, besser vorgebildeten und leistungswilligeren Arbeiter zur
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197