Page - 164 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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nach Campinas, dieser alten Kolonie der Jesuiten, und nun genügt Hier allein
hat die Technik noch nichts erfunden, um den Menschen überflüssig zu
machen; wie vor hunderten Jahren werden von der Hand der Pflücker die
Beeren vom Strauche genommen, und vielleicht singen die Arbeiter dieselben
monotonen Lieder zu denselben monotonen Bewegungen wie einst die
schwarzen Sklaven. Dann werden die Bohnen, als wäre es Sand, auf Wagen
und Lastautomobile gekarrt, in die Fazenda gebracht und hier dem König
Kaffee einige vorgeschriebene Zeremonien erwiesen, als da sind eine
gründliche Waschung und darauf eine Trocknung in der prallen Sonne; dann
erst werden mit Schüttelmaschinen die Hülsen von dem eigentlichen Kern
gelöst und die entschälten, gereinigten Bohnen dann über Leitungen und
Siebe in die Säcke verstaut.
Damit ist (oder scheint) die Arbeit zu Ende. Es ist kein romantischer
Prozeß, nicht anders etwa, als wenn man Erbsen aus der Schote nimmt und
trocknen läßt, und nur eines war mir bei allen diesen Prozeduren auf dem
Felde und in der Fazenda und in der Fabrik überraschend – die totale
Abwesenheit jedes Aromas. Ich hatte gemeint, wenn man eine
Kaffeepflanzung mit Tausenden Büschen durchschreitet, müßte man einen
Duft von diesem aromatischsten aller Getränke spüren, einen feinen Duft, der
dies weite Grünen umwebt und überschwebt, einen Duft, wie man ihn doch
selbst bei einem Getreidefelde spürt oder in jedem Wald und Holzschlag.
Aber sonderbar: der Kaffee ist vollkommen stumm, er verbirgt hartnäckig
sein Aroma im innersten Kerne. All die geheimnisvollen Salze und Öle und
Ingredienzen, die sich, sobald die Körner geröstet sind, so stark und würzig
lösen, bleiben vordem völlig tot und stumm; man kann in den Magazinen bis
zu den Knöcheln in Kaffeebohnen waten, und es duftet so wenig wie wenn
man in trockenem Sand stapfte, nicht einen Augenblick wüßte man mit
verbundenen Augen auf einer solchen Fazenda, ob die verschnürten Bündel
und Säcke Baumwolle enthalten oder Kaffee oder Kakao; es war eine kleine
Enttäuschung für mich, der ich hier von einem süßen, narkotischen Brodem
träumte, zu sehen, wie die Tausende Säcke dieser köstlichen Nervenwürze tot
und stumm und duftlos übereinandergeschichtet lagen, als wären sie Zement.
Und die zweite Überraschung dann in Santos, dem großen Verladehafen
Brasiliens; ich hatte gemeint, daß die ganze Prozedur mit der Einfüllung des
Kaffees in Säcke schon beendet sei. Nun sah ich dort in den großen Betrieben,
daß die Arbeit noch einmal beginnt. Denn die Welt will nicht da und dort den
gleichen Kaffee, die einen bevorzugen die großen, die anderen die kleineren
Körner, so wie man auch in den Schlachthäusern Argentiniens sieht, daß die
Fleischsorten nach dem verschiedenen Geschmack der einzelnen Länder fett
oder mager, Großvieh oder Kleinvieh gleich an der Exportstelle sortiert
werden. Noch einmal muß in Santos, diesem großen, glühenden Backofen am
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197