Page - 165 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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Meer, jede einzelne Kaffeebohne heraus aus ihrem Sack. Noch einmal werden
sie zusammengeschüttet zu riesigen Massen, die dann ein Rohr der fleißigste
Kaffeetrinker der Welt – mächtig ansaugt, die Masse wird Strom und läuft
aufwärts und abwärts durch ein Gefäll von Sieben, so daß die größeren Sorten
von den kleineren Körnern getrennt werden, an laufenden Bändern picken
gleichzeitig flinke braune Frauenhände während des Vorbeiströmens die
wertlosen, verkümmerten Körner heraus; so wird die Qualität in einzelne
Qualitäten gesondert, die Kaffeevölker werden uniformiert und mit einzelnen
Sortennamen bedacht, immer genau fünfzig Kilogramm einer und derselben
Art schüttet die selbsttätig wägende und zählende Maschine in einen neuen
Sack, der schon Nummer und Qualitätsmarke trägt, und während der eben
noch offene und blitzschnell angefüllte Sack weitergestoßen wird auf dem
rollenden Band, vernäht eine andere Maschine das obere Ende des Sackes.
Nun erst, nach diesen raffinierten und supertechnischen Verteilungen ist der
Kaffee wirklich reisefertig und kann auf den wartenden Schiffen in alle Zonen
der Erde fahren.
Aber auch diese letzte Etappe der Reise vom Lagerhaus in das Schiff ist
noch erstaunlich anzusehen. Denn nicht mehr wie in verschollenen Zeiten
wird Sack für Sack auf einen sonngebräunten Menschenrücken geschwungen
und über das Laufbrett an Deck getragen. Nicht wie wir es sonst in Häfen
gewohnt sind, reichen Krane in elegant leichter Drehung vom Kai die
gehäufte Ware in den Frachtraum des Schiffes hinab, sondern hier wird auf
Schienen eine Brücke aus Stahl herangeführt und der Höhe des Bordes
angepaßt. Diese Brücke trägt ein Paternosterwerk, einen fließenden Teppich,
auf dem nun direkt aus der Tiefe ihres Lagerhauses die Säcke (weit bequemer
als die Passagiere) an Bord befördert werden. Es ist schön anzusehen, dieses
lautlose, stille, mechanische Fließen; Wie eine Lämmerherde auf einem
schmalen Pfad Rücken hinter Rücken zu wandern genötigt ist, so zieht
hintereinander stundenlang ein weißer Sack nach dem andern erst vom
Lagerhaus empor und dann sacht wieder ins Schiff hinein, wobei man
eigentlich erst erkennt (denn Zahlen selbst bleiben immer abstrakt), welche
phantastische Quantitäten an Ware ein Schiffsbauch für eine zweiwöchige
Reise in sich einzuschlucken vermag; und da hier Schiff an Schiff täglich
wartend steht, ahnt man auch, welche ungeheuren Massen unsere
kaffeetrinkerische Menschheit in jeder Stunde verbraucht.
Endlich hat das gefräßige Schiff genug Kaffee in sich geschluckt. Ein Pfiff,
und das flirrende Laufband stoppt, ein, zwei Säcke gleiten, von der
Geschwindigkeit noch weitergestoßen, saumselig den andern nach. Dann
schrillt das Zeichen des Dampfers, die Turbinen wettern los, langsam löst
man sich von dem Kaffeestrand. Noch leuchten die Häuser in der Sonne, noch
heben sich schlank die Palmen, aber immer ferner schimmert das große Grün
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197