Page - 169 - in Brasilien - Ein Land der Zukunft
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unermeßlichen Reichtum, der von den Fünfzig- und sogar Hunderttausenden
robotenden Sklaven aus der Erde geschüttelt und gegraben wird, hält ein
absurder Luxus Einzug in diese Städte – ein frenetischer, kindischer Luxus,
der im grotesken Gegensatz zur Abseitigkeit und Weltverlassenheit dieses
öden Gebirgstals steht. In Vila Rica und Vila Real und Vila Albuquerque wird
im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts allein mehr Gold gewonnen als in
ganz Amerika einschließlich des viel berühmteren Mexiko und Peru. Aber
innerhalb dieser Wildnis ist für Gold wenig zu kaufen; gierig stürzen sich die
unseligen Narren des Goldes darum auf jeden pompösen Tand, den die
Händler mit hundertfachem Gewinn in diese unzugänglichen Bergtäler
herankarren. Abenteurer, die gestern noch Bettler waren, stolzieren in grellen
samtenen Gewändern, prahlen mit seidenen Strümpfen und zahlen für eine
eingelegte Pistole zwanzigfach mit Dukaten, was dieselbe Ware in Bahia in
Silbermünzen wert ist; eine hübsche Mulattin kostet mehr als am Hof des
französischen Königs die teuerste Courtisane. Alle Berechnungen, alle Maße
werden durch die Fülle des allzu leicht geförderten Metalls hier absurd;
schmutzige Gesellen verspielen mit Würfeln und Karten in einer Nacht
Beträge, mit denen man in Europa die kostbarsten Gemälde eines Raphael
und Rubens erwerben könnte oder ganze Schiffe ausrüsten und die
wundervollsten Paläste erbauen. Aber am liebsten kaufen sie, längst zu
vornehm, selbst einen Spaten in die Hand zu nehmen, für ihr Gold Sklaven
und Sklaven, damit sie ihnen mehr und mehr Gold scheffeln. Der
Sklavenmarkt in Bahia kann gar nicht genug heranschaffen, die Boote können
kaum all diese schwarze Fracht befördern. Und so wächst die Stadt von Jahr
zu Jahr, schon sind die ganzen Hügel mit den Hausungen der schwarzen
Arbeitstiere wie mit Termitennestern besät, schon verschönern sich die
Häuser der Sklavenbesitzer und Goldausbeuter. Sie steigen sogar – Zeichen
besonderen Reichtums – bis zu zwei Stockwerken und füllen sich mit Möbeln
und Schmuck. Künstler kommen, durch den erträumten Verdienst angelockt,
von den Küstenstädten, um Kirchen und Paläste zu errichten und die Brunnen
mit Skulpturen zu schmücken. Ein paar Jahrzehnte noch solchen wirbelnden
Aufstiegs, und Vila Rica muß die reichste, die schönste und volkreichste Stadt
Amerikas werden.
Aber ebenso irrlichthaft, wie er aufgetaucht, verschwindet der trügerische
Zauber. Das Gold des Rio das Velhas war nur Schwemmgold, Alluvialgold
gewesen, und nach fünfzig Jahren ist die kostbare Oberfläche abgeschöpft.
Um das tückische Metall aus der Tiefe der Felsen zu holen, von denen
Jahrhunderte oder vielleicht Jahrtausende es in unsichtbarer Arbeit zu Sand
zerrieben haben, fehlen diesen primitiven Goldwäschern die Kraft, das
Werkzeug und vor allem die Geduld. Eine Zeitlang versuchen sie direkt in
den Felsen Stollen zu treiben, um an das kostbare Metall zu gelangen, aber
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Brasilien
Ein Land der Zukunft
- Title
- Brasilien
- Subtitle
- Ein Land der Zukunft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1941
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 200
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Einleitung 5
- Geschichte 14
- Wirtschaft 57
- Blick auf die brasilianische Kultur 94
- Rio de Janeiro 117
- Einfahrt 121
- Das alte Rio 124
- Spazieren durch die Stadt 128
- Die kleinen Straßen 135
- Kunst der Kontraste 138
- Ein paar Dinge, die morgen vielleicht schon entschwunden sind 140
- Gärten, Berge und Inseln 144
- Sommer in Rio 148
- Blick auf São Paulo 152
- Besuch beim Kaffee 160
- Besuch hei den versunkenen Goldstädten 167
- Flug über den Norden 180
- Daten zur Geschichte Brasiliens 197