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stattfanden, bewährten die Belagerten ihre» Mull), und ihre Zuversicht war anfangs fo
groß, daß sie die Aufforderung des Großveziers zur Übergabe der Stadt höhnend mit
Trompeten, Pauken und lustigen Weisen auf der Kürntnerthorbastei beantworteten. Aber uon
Tag zu Tag schmolz die Zahl der Vertheidiger, Verwundete und Kranke füllten die Spitäler,
Hunger und Noth machten sich geltend. Ein kühner Sendbote, Georg Kultschitzky, schlich sich
durch das türkische Lager, um Herzog Karl von Lothringen, den Führer der Kaiserlichen,
von der schwierig gewordenen Lage der Vertheidiger in Kenntniß zu setzen. Obgleich der
Herzog das baldige Eintreffen des Entsatzes in Aussicht stellte, verfloß uoch ein Monat bis
zum Eintritte des ersehnten Ereignisses. Je näher das Entsatzheer heranrückte, desto
heftiger wurden die Stürme. Die Noth der Belagerten war anfs Höchste gestiegen.
Wegen Überfüllung der Spitäler lagen Kranke und Todte auf den Straßen, einzelne
Gebäude der Stadt gerietheu in Brand, Elend und Verzweiflung sprach aus den Zügen
der Soldaten und Bürger. Es bedürfte eindringlicher, begeisternder Worte des Comman-
danten Grafen Starhcmberg, damit Alle in ihrer Pflicht nud patriotischen Hingebung
ausharrten.
Anfangs September setzte sich endlich das bei Tulln gesammelte Entsatzheer unter
dem Obercommando des Königs Johann Sobiesli von Polen gegen Wien in Bewegung,
Die Kaiserlichen führte Herzog Karl von Lothringen, die Polen ihr König, die Vaiern
Kurfürst Max Emanuel und die Sachsen Kurfürst Johann Georg III. Nebst diefcn standen
noch andere hervorragende deutsche Fürsten, wie der Markgraf Ludwig von Baden uud
der Fürst von Naldcck im Heere. Nachdem der Kriegsrath sich für den Marsch durch den
Wienerwald uud über das Kahlengebirge entschieden hatte, pflanzten am 11. September
die Kaiserlichen in dem von ihnen besetzten Schlosse auf dem Leopoldsberge eine große
Fahne auf nnd zündeten in der Nacht Feuer an, welche den Belagerten die nahende
Hilfe verkündigten. Am 12. September begann die denkwürdige Entfatzschlacht. In drei
Treffen geordnet rückte das christliche Heer von den Anhöhen vor. Kara Mustapha,
der in seltener Verblendung das Anrücken des Feiudes ruhig geschehen ließ, verkannte die
Größe der Gefahr nnd stellte zu fpät feine Hauptmacht den Angreifern entgegen. Nach
schweren Kämpfen entschied die Tapferkeit und die Klugheit des Herzogs Karl von
Lothringen den Sieg, In größter Verwirrung flohen die Türken, alles in ihrem Lager als
reiche Beute zurücklassend. Uuter grenzenlosem Inbel öffneten die Belagerten die Ausfalls-
thore; ganze Scharen drängten, von Hunger getrieben, in das Türtenlager, um sich der
Vorräthe an LebenZmitteln zu bemächtigen. Stolz auf den unter feiner Führung errungenen
Sieg fpcndete König Johann sowohl den Kaiserlichen und den Deutschen, als anch den
Vertheidigern Wiens für ihre Tapferkeit uud ihre Ausdauer das wärmste Lob. Voll
Dankbarkeit überhäuften der Kaiser und der Stadtrath die Retter mit Ehren und Geschenken.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277