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des Erwerbeiis und des Reichthums der Naturschätze gewöhnten sich die Wiener, des
Lebens heitere Genüsse zu Pflegen. Bäucrle traf den Grundton des Wohlbehagens in dem
Liede, das in den Worten ausklang: „'s gibt uur a Kaiserftadt, 's gibt nur a Wien,"
Der Stillstand im staatlichen Leben und die Unterdrückung jeder freieren Bewegung
erwiesen sich aber ungeachtet der günstigen materiellen Verhältnisse auf die Dauer umso
unhaltbarer, als die politischen Bewegungen in Deutschland, Frankreich, Italien und
Russisch - Polen die Herstellung freiheitlicher und verfassungsmäßiger Einrichtungen
anstrebten und die Liberalen aller Länder die heftigsten Angriffe gegen die österreichische
Regierung als den erklärten Feind jedes politischen und geistigen Fortschrittes richteten.
So lange Kaiser Franz I. lebte, waren in Wien durch die Macht seiner Persönlichkeit die
Symptome der Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen in weiteren Kreisen weniger
wahrnehmbar. Erst als nach der Thronbesteigung Ferdinand I. und den damit eingetretenen
Änderungen in der obersten Leitung der Staatsgeschäfte ungeachtet des Drängens der
Stände die Erwartungen fundamentaler Reformen nicht in Erfüllung gingen, sondern
die Macht der Gewohnheit, Unentschlossenheil und Uneinigkeit unter den leitenden Staats-
männern Alles beim Alten fortbestehen ließ, steigerte sich die Unzufriedenheit, und diese
nahm schon in den Jahren 1845 bis 1847 durch die Beunruhigung eines großen Theiles
der Industriellen über den geplanten Anschluß Österreichs an den deutschen Zollverein,
durch die geschäftliche Krisis in den Fabritsvorstädten, die Nothlage der Arbeiter und die
empfindliche Thenerung aller Lebcnsmittel einen bedenklichen Charakter an. In den weitesten
Kreisen bestand die Überzeugung von der Unhaltbarkeit des Regierungssysteins. Adelige,
Professoren, Advocaten, Militärs, Bürger und Gchriflsteller waren thätig, eine Ver-
jüngung des alten, durch nationale Bestrebungen zerklüfteten Österreich herbeizuführen.
Nach dem Sturze des Hauses Orlcaus in Frankreich im Februar des Jahres 1848
stellte sich Wien an die Spitze der politischen Bewegung in Österreich, Mit elementarer
Gewalt betheiligten sich fast alle Kreise an der Beseitigung des bestehenden Regierunas-
systems. Allgemein war das Verlangen, daß der Kaiser seinen Völkern jene großen
politischen Rechte, welche die Grundlagen des modernen constitutionellen Staatslebens
bilden, gewähren möge. Am Morgen des 13. März 1848 begann die Bewegung in dem von
Bürgern und Studenten besetzten Hofe des Landhauses in dem Momente, als die nieder-
österreichischen Stände über die dem Kaiser zu überreichende Adresse beriethen. Von hier
aus verbreitete sie sich rasch durch die Straßen der Stadt nnd Vorstädte und führte in
einzelnen Vororten zu Brandlegungen nnd znr Zerstörung von Fabriken, Nach dreitägiger
Dauer wurde die Bewegung durch die uon Kaiser Ferdinand 1. verkündigte Verfassung,
durch die Gewährung der Prchfreiheit und Volksbewaffnung zum Stillstcmdc gebracht nnd
die Ruhe und Ordnung von dem neuen Ministerium unter Mitwirkung der Bürger und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277