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Der Zulauf war ein enormer imd wuchs umsomehr, als die Volkstheater gerade um
jene Zeit im Allgemeinen eine etwas unrühmliche Existenz führten, ihr Repertoire an pein-
licher Sterilität litt und die gebotenen Novitäten meist Fehlschusse waren. Außerdem
darf es nicht vergessen, muß vielmehr laut anerkannt werden, daß Mofer, der simple
„Voltssänger", auf den Geschmack des großen Publicums reinigend wirkte und daß ein
Familienvater mit den Seinen diesen überaus drolligen, aber stets moderirteu und honneten
Productionen anch sorglos beiwohnen tonnte, was bei manchen Theaterpossen nicht der
Fall war. So schmeichelte sich das Volkssängerwesen immer mehr in die Gunst des
Publicums, das diese Art der obligaten „Abendunterhaltung", wobei es in aller Gemüths-
rnhe zugleich sein Vesperbrod verzehren und seine Pfeife oder Cigarre rauchen tonnte,
recht bequem fand und fo die Theater fast ganz vergaß.
Angelockt durch das geluugeue Beispiel tauchte dann allmülig eine Legion von
Voltssängerfirmen auf, von denen freilich die meisten andere Tendenzen als der „Pnri-
sieator" und Sittenprediger Mofer verfolgten, dennoch aber auch mit ihrem lockeren
Programm einen reichen Schnitt für sich und dagegen dem Theaterbesuch ebenfalls, alfo
eine erweiterte fühlbare Concurrenz zn machen verstanden. Dies war namentlich der Fall,
als Fürst — wohl der „ungezogenste Liebling der Camöneu" — anf dem „Brettel"
erschien, dem sich der schnell beliebt gewordene Matras zugesellte.
Fürst war ohne Zweifel eine originelle Erscheinung uud, so lange er in seiner
bescheidenen Sphäre blieb, von packender Wirkung. Weun Tyrtäus durch seine Lieder die
Spartaner zn unsterblichen Thaten begeisterte, so kann Fürst das — mt. vonm verb« —
„Verdienst" für sich in Anspruch uehmen, daß durch eine Reihe von Jahren mindestens
die Hälfte der Wiener Bevölkerung — und darunter alle Stände und Schichten begriffen
— sich fast nur mehr mit ihm, dem neuesten Amphion beschäftigte. Seine urwüchsigen
Lieder: „Nur ka Wasser nit!", vom „blauen Montag" ie. wurden allüberall gesungen uud
verschafften dem merkwürdigen Säuger und grotesken „Dichter" fogar Zutritt in den
Salon. Auf der Höhe feines Ruhmes angelangt, stachelte ihu der Ehrgeiz, „Thcaterdirector"
zu werden; er wurde es auch wiederholt, prosperirte, wie zu erwarten war, nicht, schuf
aber dafür schließlich ein wirtliches „Volkstheater" ^ allerdings minderen Ranges —
im Prater, das auch seinen Namen trägt und bei einem specifischen Theile der Bevölkerung
Anklang fand nnd noch findet. Dennoch stieg er mit dieser theatralischen Gründung die
Leiter feiner eigentlichen socialen Gloriole — hinab.
Fürst, der gewaltthatige Antipode Mosers, hatte die Unbändigkeit, die Ungenirtheit,
die Derbheit, nm nicht zn sagen Roheit, sowie das Cunische in Geste nnd Ausdruck und
das Ttarksinuliche auf seine Fahne geschrieben, was wohl fchon allein hinlänglich fravuirte
nnd auzog. Nebstbei wußte er aber seinen kaustischen uud vernichtenden Vierzeilen auch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277