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Geld- und Arreststrafen noch die schmerzhaftesten Prügel cnriren sie von ihrer Leiden-
schaft, die nur Jener begreift, der sie mit ihnen theilt,
Wohl nur geringschätzig blicken anf solche „ordinäre" Vergnügungen alle die Schoß-
kinder Fortunas herab, deren Mittel es erlauben oder die sich die Mittel dazu verschaffen
zu müssen glauben, um entweder auf dem Turf zu brilliren, mit der Normal-Toilette, den
Blicken und dem Jargon des „Wissenden" und Kenners bei Fahr- und Reitwetten sich zu
betheiligen und nebenbei mit dem eigenen „Zeugl" Aufsehen zn erregen, oder als fermer
Jägersmann dem edlen Waidwerk in patentester Adjustirung sich zu widmen, oder —
wenigstens bei einer vorstädtischen Schühengesellschaft eingeschrieben zu sein. In diese
vornehmeren Rubriken rangiren denn auch alle sowohl activen als nnr „platonischen"
Anhänger des Kutschier- und Pferde-, des Tauben-, Hunde- und des verschiedenartigsten
Schießsports. Jedermann erscheint da als „Pfründner", als „Sumper", der ihr Latein
nicht «ersteht, und wäre es deßhalb auch Niemandem zu rathen, ohne in den genannten
Fächern vollkommen ausgebildet und in der fixirten Terminologie gründlich versirt zu
sein, in solch gelehrten Kreisen nnbescheidentlichst das Wort zu ergreifen und seine Laien-
meinungen und Privaturtheile etwa gar in gewöhnlichem, allgemeiu verständlichem Dentsch
ausznsprechen.
Dafür geben es wieder Ändere, wie wir schon gesehen, weit billiger. Sie asuiriren
vor ihren Slandesgenossen keine bevorzugte Stellung und wünschen vor der Welt weder
als „Gawliere" zu glänzen, noch überhaupt einen „Nimbus" um ihre anspruchslose
Person verbreitet zu sehen. Sie wollen, wie ihr tägliches Gebet lautet, nichts als ihr
„Bisl Leben" und vielleicht noch Einiges, Weniges dazu. Trotzdem hört man sie, bei
aller Dürftigkeit, die sie umgibt, nur wnnderselten ernstlich seufzen und klagen, sie leisten
freiwillig Verzicht auf die geringfügigsten Freuden und Annehmlichkeiten des Daseins,
weil sie sich, im Bewußtfein ihrer fnbalternen Mission auf Erden, selbst jedes Aurechtes
auf ohnehin „entbehrliche" Genüsse entäußern und meinen, daß „auch so" zu existireu
sei, wenn man unr „hübsch gesund" bleibt. Sie fühlen sich als „Enterbte" nnd erhoffen
keine Erbschaft. Als Entsagende beschränken sie das Repertoire ihrer Vergnügnngen,
nach dem Vorbilde jener extrem Genügsamen, ebenfalls fast anf das leere Nichts; sie
kennen keinen Haß gegen die vom Schicksal in Allem begnadeten „oberen Zehntausend"
noch gegen die nächsten Tansende, und noch viel weniger Neid. Sie bilden vielmehr jene
originell-gutmüthige Secte von wirklichen Menschenfreunden, welche es schon befriedigt,
wenn sich das Gros ihrer Mitbürger — exelusive ihrer eigenen Person — nach seinem
Geschmacke, seinen Kräften nnd gemäß der Jahreszeit ausgiebig amüsirt, Sie bewundern
deßhalb aufrichtigst die lärmend pompösen Corsofahrten, sie stellen sich vor den Bahnhöfen
auf und beschauen die Ankommenden, wie die nach den schönsten Weltgegendeu Abreisenden,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277