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konnte. Sie erlangte damit zugleich Vorbilder für eine harmonische, milde und doch
wirkungsvolle und blühende Farbenverbindung, wie sie der Geschmacksneigung des Wieners
und des Österreichers überhaupt entspricht,
Aus diesen und anderen, die gleiche Bedingung erfüllenden Elementen, vor deren
mechanischem Eklekticismus das gemeinsame Grundprincip, daß jedes Ding in fich gut sei,
bewahrte — aus diesen Elementen hat sich mm bis heute, man kann wirklich sagen, ein
Wiener Kunststil herausgebildet. Ein kundiges Auge wird sofort eine Wiener Arbeit von
einer Pariser oder einer Münchener unterscheiden können. Nach und nach ist ein jedes
Kunstgewerbe — so viele ihrer iu Wien in Übung stehen — in die Reform eingetreten nnd ein
jedes hat sich umgebildet, nicht nach einem von außen her vorgeschriebenen Stil, sondern nach
den Bedingungen seiues Materials und seiner Art, allerdings mit Anlehnung an Vorbilder.
In keinem Zweige vielleicht tritt das deutlicher hervor als in dem Schmiede- und
Schlofsergewcrbe, kurz gesagt: in den Eisenarbeiten. Vor wenigen Jahrzehnten noch, wer
dachte überhaupt an Kunstarbeiten aus geschmiedetem Eisen! Der Guß Ichleu alle
Kunst uud Mühe des Schmiedens leicht zu ersetzen. Höchstens, daß Architekten und
Archäologen neidische Blicke auf die Werke der Vergangenheit zurückwarfen. Diese waren
es deun auch, welche mit dem Aufblühen der neuen Epoche in der Wiener Architektur die
Eifenkunst neu erweckten. Uud heute existireu großartige Etablissements iu großer Zahl,
welche die geschmiedete Eisenarbeit wahrhaft wie eine Kunst ausüben. Paläste, Kirchen,
Häufer, öffentliche Anlagen füllen sich wieder mit mannigfachen Schmuck- und Gebrauchs-
gegenständeu, von denen in diesem Material und in dieser Arbeit gar nicht mehr die Rede
war. Der Stil derselben war im ersten Beginn der gothische, wie er für Kirchenzwecke
angewendet wnrde. Alsbald aber machten sich die schönen, technisch wie künstlerisch so
ausgezeichneten Muster der Renaissance geltend, davon wir in Österreich, zumal in
Niederösterreich, Steicrmart, Kärnten noch mehr als in einem anderen Lande erhalten
haben. Rundeifen, kantiges Stabeisen, flaches Bandeisen, durchflochtcne und verbundene
Arbeit lebten gleicherweise wieder auf, neben ihnen die feinere Technik in der Verzierung
der Oberfläche, Ätzung und Tauschirung. Es gibt kaum eine erfreulichere Erscheinung in
der ganzen modernen Reform des Kunstgewerbes. Zur Renaissance haben fich in neuester
Zeit auch Verfuche in den späteren Stilarten des XVII. und XVIII. Jahrhunderts gesellt,
zum Theil großartige und vorzügliche Arbeiten, an denen etwa nur auszusetzen ist, daß
sie für ihr überaus festes Material zu schwer find, das heißt zu viel Material verwenden,
zu undurchsichtig in der durchbrochenen Arbeit, zu dick im Stabwerk sind.
Anders und doch nicht minder radical war der Weg, auf welchem sich die Wiener
Bronzen umwandelten. Bevor die Reform des Geschmackes begann, waren alle Wiener
Bronzen vergoldet und sie besaßen in der Schönheit und Reinheit der Vergoldung einen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277