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sich demgemäß auch die Wiener Bronzen ändern. Die französische Industrie besaß bereits die
in verschiedenen Tönen braun und grün patinirten Bronzen und hatte ihnen die blasse
Messingbronze hinzugefügt, welche mehr mit dem neuen Stil der Wohnung in Harmonie
stand. Beides wurde nun auch von den Wiener Bronzen aufgenommen neben der
Vergoldung, die mit ihrer Vollkommenheit einen gewissen Platz behauptete.
In diesen Neuerungen waren nun zwar die Wiener Bronzen nicht originell. Worin
sie es aber waren, das war im Kunststil. Wahrend die Pariser, wie überall in den Dingen
des Geschmacks, sich große Willkür erlaubteu und Motive aller Zeiten und Kunststile, je
nach den Umständen, ihnen genehm waren, schlössen sich die Wiener bei allem Geräth
strenger und ausschließlicher den Formen der Renaissance an, zu streng vielleicht, denn zu
sehr noch Kompositionen der Architekten, ermangelten sie der Freiheit in der Erfindung
und in der Form. In jüngster Zeit sind sie im Begriff auch diese sich anzueignen und damit
zu einer Originalität zu gelangen, welche die Wiener Bronzegerathe leicht von allen anderen
unterscheiden läßt. Wie freier in der Form, sind sie auch reicher in der Verzierung geworden
und haben es namentlich gelernt, sich mit dem ihnen so entsprechenden Email zu schmücken.
Diese edle Verzierungstcchnik, das Email, gehört auch zu jeuen bisher vergessenen
Künsten, welche die moderne Reform des Kuustgewerbes wieder in das Leben gerufen hat,
aber nicht allein iu Wien uud auch nicht gerade in origineller Weise. Doch gehört sie zur
Schilderung der Wiener Kunstindustrie. Die bevorzugte Anwendung des Emails geschieht
nicht wie bei den Franzosen in der Bronze-Industrie, obwohl sie auch hier in der Technik
des Zellcnschmelzes («loiZnnuö) wie in der Technik des Grubenschmelzes (ekainplevs)
geübt wird, sondern in der Goldschmiedekunst und ganz besonders iu der kirchlichen. Hier
wird sie in zweierlei Weise geübt, entweder als medaillouartige Einsätze iu der Form des
transluciden Emails auf reliefartig geschnittenem Silbergruud nach spätmittelalterlicher
Art oder als farbig und bildartig gemaltes Email, auch wohl «n ronök bnsse kleine
Figürchen und Ornamente umgebend. Ieucs bildartig gemalte Email scheidet sich wieder
m zwei Arten, entweder in schwarzgrundirtes Email ^n camiüLU auf Kupfer nach der
Limosiner Art des XVI. Jahrhunderts oder iu buut gemaltes Email mit weißem Grunde
ans Gold oder Silber. Jenes dient zu Einsätzen und Gefäßen und geht insbesondere aus
der Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums hervor, während das bunte, weiß-
grundirte Email in Form von Medaillons seine Auwenduug auf Schmuckgegenständen
findet. Uud diefe letztere Art ist im Moment wohl noch für Wien eigenthümlich, höchstens
findet sie in der Schweiz als „Uhren- und Dosenemail" ein Seitenstück.
Mit diesem farbigen Email hat die Wiener Schmuckindustrie eine neue Seite
gewonnen. Sie hat sich aber auch andere neue Erscheinungen der Zeit angeeignet, so die
Filigrau- und Korntechnik des antiken griechischen oder griechisch-etrustischen Schmuckes,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Volume 1
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Volume
- 1
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1886
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.13 x 22.72 cm
- Pages
- 348
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch
Table of contents
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277