Page - 177 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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sich als Spolien zu bestimmende Objekte mit solchen der SammÂ
lungen. Ihren bevorzugten Ort hat die Spolie im 19. Jahrhundert
nicht mehr vorzugsweise im Sakralraum, sondern, als Teil einer
Sammlung, im Bereich privater, vorwiegend adeliger Bau und
Wohnkultur oder aber im öffentlich zugänglichen Museum. Der
Einsatz von Spolien in der Moderne geht darĂĽber hinaus mit der
allgemeinen kĂĽnstlerischen Problematisierung der historischen
Form als » Vorbild « einher : Die Spolie wird vollends zu einem PhäÂ
nomen des Historismus des 19. Jahrhunderts, wenn man sie mit
dem Fragmentieren und Isolieren historischer Stilformen, wie sie
in der zeitgenössischen kunsthistorischen Klassifikation ebenso
wie in Vorbildersammlungen zum Ausdruck kommt, in VerbinÂ
dung bringt.531 Ein enger Bezug besteht auĂźerdem zu den gerade
fĂĽr den Historismus grundlegenden Akten des Zitierens und KoÂ
pierens als kĂĽnstlerischen Praktiken formaler Aneignung : Aus
dem ursprünglichen funktionalen, ästhetischen Kontext isoliert,
wird so beispielsweise das historische Ornament – ebenso wie die
Spolie – für die Gegenwart verfügbar gemacht. Der Unterschied
liegt darin, dass im Fall des Ornaments eine formale bzw. mediÂ
ale, metaphorische Übertragung stattfindet, während die Spolie
realiter transponiert wird, und damit sowohl in formaler als auch
materieller Hinsicht wirksam werden kann – macht doch die phyÂ
sische Faktizität und Präsenz einen Gutteil der Wirkung der SpoÂ
lie aus. Das Aufgliedern, Zerteilen und Zersplittern historischer
Ăśberlieferung zum Zweck wissenschaftlicher Ordnung, ebenso
wie das Erstellen eines Repertoires und Reservoirs der Formen,
kennzeichnen die Kultur des 19. Jahrhunderts. In den Museen
jener Zeit wird diesem Verfahren bis heute der sichtbarste AusÂ
druck verliehen. Das Ansammeln und Verwerten von Spolien
steht diesem Prinzip auf bemerkenswerte Weise nahe.
Objet ancien und Objet trouvé
Die Wahrnehmung der Spolie als materielles historisches FragÂ
ment setzt voraus, dass dem Objekt als solchem zentrale BedeuÂ
tung, Autorität beigemessen wird. Die in Kreuzenstein zusamÂ
mengefügten Bruchstücke – seien es nun Spolien, Baumaterial,
Mobiliar, Turnierkleider oder Gemälde – haben eines gemeinÂ
sam : Sie sind allesamt semantisch unterschiedlich aufgeladene
Dinge. Wenn das 19. Jahrhundert eine Epoche der verstärkten FoÂ
kussierung auf die Welt der Dinge war, dann eignen sich die weiÂ
ter gefassten Begriffe » Ding « / » Objekt « auch zu einem besseren
Verständnis des Umgangs mit dem Fragment und dem FragmenÂ
tarischen in Kreuzenstein.532 177Objet
ancien und Objet trouvé
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258