Page - 166 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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in Kreuzenstein unmittelbar Anwendung gefunden : Denn nur
hier war es möglich, einen Großteil der repräsentativen Räume
nicht allein durch Butzenscheiben, sondern durch originale GlasÂ
gemälde des Mittelalters von der Außenwelt abzuschließen und
so das stimmungsvolle » Bild « an seiner schwächsten Stelle bestÂ
möglich zu schließen. Indem die Glasgemälde damit gleichsam
die Grenze zwischen » Realraum « und » Bildraum « besetzen, sind
sie fĂĽr die Wirkung des Ensembles von essenzieller Bedeutung :
Erst durch die Brechung des Tageslichtes – als dem einzigen natĂĽrÂ
lichen Hinweis auf Zeitlichkeit und Gegenwart – wird die » WirkÂ
lichkeit « vollständig aus dem Interieur ausgeschlossen und die IlÂ
lusion an einer neuralgischen Stelle perfekt gemacht.
Indem er fĂĽr seine Sammlungen mit Kreuzenstein ein passgeÂ
naues Behältnis schuf, gelang es Wilczek wie nur wenigen SammÂ
lern zuvor und danach, diese höchst subjektive Einheit der Dinge
auch nach seinem Tod – der für gewöhnlich auch das Ende der
Sammlung bedeutet – wenigstens teilweise für die Zukunft zu
bewahren. Das von Wilczek Zusammengetragene war so eng mit
dem Bauwerk verbunden, dass größere Eingriffe in den SammÂ
lungsbestand nichts weniger als die Zerstörung von KreuzenÂ
stein bedeutet hätten. Der räumlich und inhaltlich schlüssige
Zusammenhang der Objekte sträubt sich bis heute erfolgreich
gegen allzu weitgehende Reduktionen und die ZerstĂĽckelung
des Ensembles, wenn auch seit dem Tod des Sammlers zahlreiÂ
che Objekte den Weg in den Kunsthandel gefunden haben. Als
bewusst gesetztes » Monument « einer Sammlung, in deren Mitte
der Sammler selbst in seiner Gruft bestattet liegt, ist die Burg so
auch zu einem einzigartigen Dokument fĂĽr die Sammlerkultur
des 19. Jahrhunderts geworden.
Der imaginäre Bewohner
Die gleichermaßen menschenleeren wie übervollen Innenräume
von Kreuzenstein werfen die Frage nach der Präsenz des AbsenÂ
ten auf, nach realen und imaginären Bewohnern. Wilczek selbst
hat die Herrenschlafstube nur ausnahmsweise benĂĽtzt, und auch
die daran anschlieĂźenden Schlafkammern waren nur im AusnahÂ
mefall belegt.479 Wie in der ĂĽbrigen Burg, so stand auch hier poÂ
tenzielle, ausgestellte Bewohnbarkeit als Mittel der VerlebenÂ
digung und Vergegenwärtigung gegenüber einer tatsächlichen
Wohnfunktion im Vordergrund. DarĂĽber hinaus aber sind einÂ
zelne Räume oder Bereiche so eng mit historischen und literaÂ
rischen Figuren verbunden, dass Indizien fĂĽr die Anwesenheit
166 Eine moderne Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Kreuzenstein
- Subtitle
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Author
- Andreas Nierhaus
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 258