Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Page - 59 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 59 - in Radetzkymarsch

Image of the Page - 59 -

Image of the Page - 59 - in Radetzkymarsch

Text of the Page - 59 -

einzutauchen. Er schlängelte sich hurtig durch die Korsobesucher. Zwei Minuten dauerte der ziemlich lange Korso, ekelhafte zwei Minuten. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Niemandem begegnen! Begegnungen auf der Treppe mußte man meiden: schlimme Vorzeichen. Wärme, Licht und Stimmen kamen ihm im Flur entgegen. Er trat ein, er tauschte Grüße aus. Er suchte den Obersten Kovacs im gewohnten Winkel. Dort spielte er jeden Abend Domino, jeden Abend mit einem andern Herrn. Er spielte Domino mit Begeisterung; vielleicht aus einer unmäßigen Angst vor Karten. »Ich habe noch nie eine Karte in der Hand gehabt«, pflegte er zu sagen. Nicht ohne Gehässigkeit sprach er das Wort »Karten« aus; und er zeigte dabei mit dem Blick in die Richtung seiner Hände, als hielte er in ihnen seinen tadellosen Charakter. »Ich empfehle euch«, fuhr er manchmal fort, »das Dominospiel, meine Herren! Es ist sauber und erzieht zur Mäßigkeit.« Und er hob gelegentlich einen der schwarzweißen, vieläugigen Steine in die Höhe, wie ein magisches Instrument, mit dem man lasterhafte Kartenspieler von ihrem Teufel befreien kann. Heute war der Rittmeister Taittinger an der Reihe, den Dominodienst zu versehen. Das Angesicht des Obersten warf einen bläulichroten Widerschein auf das gelbliche, hagere des Rittmeisters. Carl Joseph blieb mit sanftem Klirren vor dem Obersten stehn. »Servus!« sagte der Oberst, ohne von den Dominosteinen aufzusehn. Er war ein gemütlicher Mann, der Oberst Kovacs. Seit Jahren hatte er sich eine väterliche Haltung angewöhnt. Und nur einmal im Monat geriet er in einen künstlichen Zorn, vor dem er selbst mehr Angst hatte als das Regiment. Jeder Anlaß war ihm da willkommen. Er schrie, daß die Wände der Kaserne und die alten Bäume rings um die Wasserwiese bebten. Sein blaurotes Angesicht wurde blaß bis in die Lippen, und seine Reitpeitsche schlug in zitternder Unermüdlichkeit gegen den Stiefelschaft. Er schrie lauter wirres Zeug, zwischen dem lediglich die rastlos wiederkehrenden, zusammenhanglos vorgebrachten Worte »in meinem Regiment« leiser klangen als alles andere. Er machte endlich halt, ohne Grund, genauso, wie er angefangen hatte, und verließ die Kanzlei, das Kasino, den Exerzierplatz oder was er sonst immer zum Schauplatz seines Gewitters gewählt hatte. Ja, man kannte ihn, den Obersten Kovacs, das gute Tier! Man konnte sich auf die Regelmäßigkeit seiner Zornausbrüche verlassen wie auf die Wiederkehr der Mondphasen. Rittmeister Taittinger, der sich schon zweimal hatte transferieren lassen und der eine genaue Kenntnis von Vorgesetzten besaß, bezeugte jedermann unermüdlich, daß es in der ganzen Armee keinen harmloseren Regimentskommandanten gebe. Oberst Kovacs sah schließlich von der Dominopartie auf und gab Trotta die Hand. »Schon gegessen?« fragte er. »Schade«, sagte er weiter und sein Blick verlor sich in einer rätselhaften Ferne: »Das Schnitzel war heute 59
back to the  book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch