Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Page - 87 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 87 - in Radetzkymarsch

Image of the Page - 87 -

Image of the Page - 87 - in Radetzkymarsch

Text of the Page - 87 -

Werkzeug, schwebte sie mit der zitternden Feder über dem Papier. Dieser Brief war der erste schwere seines Lebens. Es erschien dem Leutnant unmöglich, den Ausgang der Angelegenheit abzuwarten und erst dann dem Bezirkshauptmann zu schreiben. Seit dem unseligen Streit zwischen Tattenbach und Demant hatte er den Bericht von Tag zu Tag hinausgeschoben. Es war unmöglich, ihn nicht heute noch abzuschicken. Heute noch, vor dem Duell. Was hätte der Held von Solferino in dieser Lage getan? Carl Joseph fühlte den gebieterischen Blick des Großvaters im Nacken. Der Held von Solferino diktierte dem zaghaften Enkel bündige Entschlossenheit. Man mußte schreiben, sofort, auf der Stelle. Ja, man hätte vielleicht sogar zum Vater fahren müssen. Zwischen dem toten Helden von Solferino und dem unentschiedenen Enkel stand der Vater, der Bezirkshauptmann, Hüter der Ehre, Wahrer des Erbteils. Lebendig und rot in den Adern des Bezirkshauptmanns rollte noch das Blut des Helden von Solferino. Es war, wenn man dem Vater nicht rechtzeitig berichtete, als versuchte man, auch dem Großvater etwas zu verheimlichen. Aber um diesen Brief zu schreiben, hätte man so stark sein müssen wie der Großvater, so einfach, so entschieden, so nahe den Bauern von Sipolje. Man war nur der Enkel! Dieser Brief unterbrach in einer schrecklichen Weise die gemächliche Reihe der gewohnten wöchentlichen, gleichklingenden Berichte, die in der Familie der Trottas die Söhne den Vätern immer geschrieben hatten. Ein blutiger Brief; man mußte ihn schreiben. Der Leutnant fuhr fort: »Ich hatte, allerdings gegen Mitternacht, einen harmlosen Spaziergang mit der Frau unseres Regimentsarztes gemacht. Die Situation ließ mir keine andere Möglichkeit. Kameraden sahen uns. Der Rittmeister Tattenbach, der leider häufig betrunken ist, machte dem Doktor gegenüber eine schäbige Anspielung. Morgen, sieben Uhr zwanzig früh, schießen sich die beiden. Ich werde wahrscheinlich gezwungen sein, den Tattenbach zu fordern, wenn er am Leben bleibt, wie ich hoffe. Die Bedingungen sind schwer. Dein treuer Sohn Carl Joseph Trotta, Leutnant Nachschrift: Vielleicht werde ich auch das Regiment verlassen müssen.« Nun schien es dem Leutnant, das Schwerste sei überstanden. Als er aber seinen Blick über den beschatteten Suffit wandern ließ, sah er auf einmal wieder das mahnende Angesicht seines Großvaters. Neben dem Helden von Solferino glaubte er auch das weißbärtige Angesicht des jüdischen Schankwirts zu sehen, dessen Enkel der Regimentsarzt Doktor Demant war. 87
back to the  book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch