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Radetzkymarsch
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hauchdünnen, winzigen, schwarzen Buchstaben, aus denen sich der Name Sipolje zusammensetzte. In der Nähe waren: ein Ziehbrunnen, eine Wassermühle, der kleine Bahnhof einer eingleisigen Waldbahn, eine Kirche und eine Moschee, ein junger Laubwald, schmale Waldpfade, Feldwege und einsame Häuschen. Es ist Abend in Sipolje. Vor dem Brunnen stehen die Frauen in bunten Kopftüchern, golden überschminkt vom glühenden Sonnenuntergang. Die Moslems liegen auf den alten Teppichen der Moschee im Gebet. Die winzige Lokomotive der Waldbahn klingelt durch das dichte Dunkelgrün der Tannen. Die Wassermühle klappert, der Bach murmelt. Es war das vertraute Spiel aus der Kadettenzeit. Die gewohnten Bilder kamen auf den ersten Wink. Über allen glänzte der rätselhafte Blick des Großvaters. Es gab in der Nähe wahrscheinlich keine Kavalleriegarnison. Man mußte sich also zur Infanterie transferieren lassen. Nicht ohne Mitleid sahen die berittenen Kameraden auf die Truppen zu Fuß, nicht ohne Mitleid werden sie auf den transferierten Trotta sehn. Der Großvater war auch nur ein einfacher Hauptmann bei der Infanterie gewesen. Zu Fuß marschieren über den heimatlichen Boden war fast eine Heimkehr zu den bäuerlichen Vorfahren. Mit schweren Füßen gingen sie über die harten Schollen, den Pflug stießen sie in das saftige Fleisch des Ackers, den fruchtbaren Samen verstreuten sie mit segnenden Gebärden. Nein! Es tat dem Leutnant durchaus nicht leid, dieses Regiment und vielleicht die Kavallerie zu verlassen! Der Vater mußte es erlauben. Ein Infanteriekurs, vielleicht ein bißchen lästig, war noch zu absolvieren. Man mußte Abschied nehmen. Kleiner Abend im Kasino. Eine Runde Schnaps. Kurze Ansprache des Obersten. Eine Flasche Wein. Den Kameraden herzlichen Händedruck. Hinter dem Rücken zischelten sie schon. Eine Flasche Sekt. Vielleicht, wer weiß, erfolgt am Ende noch gesammelter Abmarsch ins Lokal der Frau Resi: noch eine Runde Schnaps. Ach, wenn dieser Abschied schon überstanden wäre! Den Burschen Onufrij wird man mitnehmen. Man kann sich nicht wieder mühsam an einen neuen Namen gewöhnen! Dem Besuch beim Vater wird man entgehn. Überhaupt wird man versuchen, allen lästigen und schwierigen Ereignissen zu entgehen, die mit einer Transferierung verbunden sind. Blieb allerdings noch der schwere, schwere Weg zur Witwe Doktor Demants. Welch ein Weg! Der Leutnant Trotta versuchte, sich einzureden, daß Frau Eva Demant nach dem Begräbnis ihres Mannes wieder zu ihrem Vater nach Wien abgereist wäre. Er wird also vor der Villa stehn, lange und vergeblich läuten, die Adresse in Wien erfahren und einen knappen, möglichst herzlichen Brief schreiben. Es ist sehr angenehm, daß man nur einen Brief zu schreiben hat. Man ist keineswegs mutig, denkt der Leutnant zu gleicher Zeit. Fühlte man nicht ständig im Nacken den dunklen, rätselhaften Blick des Großvaters, 103
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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