Page - 140 - in Radetzkymarsch
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Sie fuhren. Zu beiden Seiten lärmten die unendlichen Chöre der Frösche,
dehnten sich die unendlichen, blaugrünen Sümpfe. Der Abend schwamm
ihnen entgegen, violett und golden. Sie hörten das weiche Rollen der Räder
im weichen Sande des Feldwegs und das helle Knirschen der Achsen.
Chojnicki hielt vor dem kleinen Jagdpavillon.
Die rückwärtige Wand lehnte sich an den dunklen Rand des Tannenwaldes.
Von der schmalen Straße war er durch einen kleinen Garten und ein steinernes
Gitter getrennt. Die Hecken, die an beiden Seiten den kurzen Weg vom
Gartengitter zum Hauseingang säumten, waren seit langer Zeit nicht
beschnitten worden; so wucherten sie in wilder Willkür hier und da über den
Weg, bogen ihre Zweige einander entgegen und erlaubten zwei Menschen
nicht gleichzeitig den Durchgang. Also gingen die drei Männer
hintereinander, ihnen folgte das Pferd gehorsam, zog das Wägelchen nach,
schien mit diesem Pfad vertraut zu sein und wie ein Mensch im Pavillon zu
wohnen. Hinter den Hecken dehnten sich weite Flächen, von Distelblüten
bewachsen, von den breiten, dunkelgrünen Gesichtern des Huflattichs
überwacht. Rechts erhob sich ein abgebrochener steinerner Pfeiler, Überrest
eines Turms vielleicht. Wie ein mächtiger, abgebrochener Zahn wuchs der
Stein aus dem Schoß des Vorgartens gegen den Himmel, mit vielen
dunkelgrünen Moosflecken und schwarzen, zarten Rissen. Das schwere
hölzerne Tor zeigte das Wappen der Chojnickis, ein dreifach geteiltes, blaues
Schild mit drei goldenen Hirschböcken, deren Geweihe unentwirrbar
ineinander verwachsen waren. Chojnicki zündete Licht an. Sie standen in
einem weiten, niedrigen Raum. Noch fiel der letzte Dämmer des Tages durch
die schmalen Ritzen der grünen Jalousien. Der gedeckte Tisch unter der
Lampe trug Teller, Flaschen, Krüge, silbernes Besteck und Terrinen. »Ich hab’
mir erlaubt, Ihnen einen kleinen Imbiß vorzubereiten!« sagte Chojnicki. Er
schüttete den wasserklaren Neunziggrädigen in drei kleine Gläschen, reichte
zwei den Gästen und erhob selbst das dritte. Alle tranken. Der
Bezirkshauptmann war etwas verwirrt, als er das Gläschen wieder auf den
Tisch stellte. Immerhin widersprach die Wirklichkeit der Speisen dem
geheimnisvollen Wesen des Pavillons, und der Appetit des
Bezirkshauptmanns war größer als seine Verwirrung. Die braune
Leberpastete, von pechschwarzen Trüffeln durchsetzt, stand in einem
glitzernden Kranz aus frischen Eiskristallen. Die zarte Fasanenbrust ragte
einsam im schneeigen Teller, umgeben von einem bunten Gefolge aus grünen,
roten, weißen und gelben Gemüsen, jedes in einer blaugoldgeränderten und
wappenverzierten Schüssel. In einer geräumigen kristallenen Vase wimmelten
Millionen schwarzgrauer Kaviarperlchen, umrandet von goldenen
Zitronenscheiben. Und die runden, rosafarbenen Schinkenräder, von einer
großen, silbernen, dreizackigen Gabel bewacht, reihten sich gehorsam
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik