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Radetzkymarsch
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Sie fuhren. Zu beiden Seiten lärmten die unendlichen Chöre der Frösche, dehnten sich die unendlichen, blaugrünen Sümpfe. Der Abend schwamm ihnen entgegen, violett und golden. Sie hörten das weiche Rollen der Räder im weichen Sande des Feldwegs und das helle Knirschen der Achsen. Chojnicki hielt vor dem kleinen Jagdpavillon. Die rückwärtige Wand lehnte sich an den dunklen Rand des Tannenwaldes. Von der schmalen Straße war er durch einen kleinen Garten und ein steinernes Gitter getrennt. Die Hecken, die an beiden Seiten den kurzen Weg vom Gartengitter zum Hauseingang säumten, waren seit langer Zeit nicht beschnitten worden; so wucherten sie in wilder Willkür hier und da über den Weg, bogen ihre Zweige einander entgegen und erlaubten zwei Menschen nicht gleichzeitig den Durchgang. Also gingen die drei Männer hintereinander, ihnen folgte das Pferd gehorsam, zog das Wägelchen nach, schien mit diesem Pfad vertraut zu sein und wie ein Mensch im Pavillon zu wohnen. Hinter den Hecken dehnten sich weite Flächen, von Distelblüten bewachsen, von den breiten, dunkelgrünen Gesichtern des Huflattichs überwacht. Rechts erhob sich ein abgebrochener steinerner Pfeiler, Überrest eines Turms vielleicht. Wie ein mächtiger, abgebrochener Zahn wuchs der Stein aus dem Schoß des Vorgartens gegen den Himmel, mit vielen dunkelgrünen Moosflecken und schwarzen, zarten Rissen. Das schwere hölzerne Tor zeigte das Wappen der Chojnickis, ein dreifach geteiltes, blaues Schild mit drei goldenen Hirschböcken, deren Geweihe unentwirrbar ineinander verwachsen waren. Chojnicki zündete Licht an. Sie standen in einem weiten, niedrigen Raum. Noch fiel der letzte Dämmer des Tages durch die schmalen Ritzen der grünen Jalousien. Der gedeckte Tisch unter der Lampe trug Teller, Flaschen, Krüge, silbernes Besteck und Terrinen. »Ich hab’ mir erlaubt, Ihnen einen kleinen Imbiß vorzubereiten!« sagte Chojnicki. Er schüttete den wasserklaren Neunziggrädigen in drei kleine Gläschen, reichte zwei den Gästen und erhob selbst das dritte. Alle tranken. Der Bezirkshauptmann war etwas verwirrt, als er das Gläschen wieder auf den Tisch stellte. Immerhin widersprach die Wirklichkeit der Speisen dem geheimnisvollen Wesen des Pavillons, und der Appetit des Bezirkshauptmanns war größer als seine Verwirrung. Die braune Leberpastete, von pechschwarzen Trüffeln durchsetzt, stand in einem glitzernden Kranz aus frischen Eiskristallen. Die zarte Fasanenbrust ragte einsam im schneeigen Teller, umgeben von einem bunten Gefolge aus grünen, roten, weißen und gelben Gemüsen, jedes in einer blaugoldgeränderten und wappenverzierten Schüssel. In einer geräumigen kristallenen Vase wimmelten Millionen schwarzgrauer Kaviarperlchen, umrandet von goldenen Zitronenscheiben. Und die runden, rosafarbenen Schinkenräder, von einer großen, silbernen, dreizackigen Gabel bewacht, reihten sich gehorsam 140
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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