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Radetzkymarsch
Seite - 178 -
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6Kapitel Der Tag, an dem der Leutnant in seine Garnison zurückfahren mußte, war ein betrüblicher und zufällig auch ein trüber Tag. Er ging noch einmal über die Straßen, durch die zwei Tage früher die Prozession gezogen war. Damals, dachte der Leutnant (damals, dachte er), war er eine kurze Stunde stolz auf sich und seinen Beruf gewesen. Heute aber schritt der Gedanke an seine Rückkehr neben ihm einher wie ein Wächter neben einem Gefangenen. Zum erstenmal lehnte sich der Leutnant Trotta gegen das militärische Gesetz auf, das sein Leben beherrschte. Er gehorchte seit seiner frühesten Knabenzeit. Und er wollte nicht mehr gehorchen. Er wußte zwar keineswegs, was die Freiheit bedeutete; aber er fühlte, daß sie sich von einem Urlaub unterscheiden mußte wie etwa ein Krieg von einem Manöver. Dieser Vergleich fiel ihm ein, weil er ein Soldat war (und weil der Krieg die Freiheit des Soldaten ist). Es kam ihm in den Sinn, daß die Munition, die man für die Freiheit brauchte, das Geld sei. Die Summe aber, die er bei sich trug, glich gewissermaßen den blinden Patronen, die man in den Manövern abfeuerte. Besaß er überhaupt etwas? Konnte er sich Freiheit leisten? Hatte sein Großvater, der Held von Solferino, ein Vermögen hinterlassen? Würde er es einmal von seinem Vater erben? Niemals waren ihm früher derlei Überlegungen bekannt gewesen! Jetzt flogen sie ihm zu wie eine Schar fremder Vögel, nisteten sich in seinem Gehirn ein und flatterten unruhig darin herum. Jetzt vernahm er alle verwirrenden Rufe der großen Welt. Seit gestern wußte er, daß Chojnicki in diesem Jahr früher als gewöhnlich seine Heimat verlassen und noch in dieser Woche mit seiner Freundin nach dem Süden fahren wolle. Und er lernte die Eifersucht auf einen Freund kennen; und sie beschämte ihn doppelt. Er fuhr an die nordöstliche Grenze. Aber die Frau und der Freund fuhren nach dem Süden. Und der »Süden«, der bis zu dieser Stunde eine geographische Bezeichnung gewesen war, erglänzte in allen betörenden Farben eines unbekannten Paradieses. Der Süden lag in einem fremden Land! Und siehe da: Es gab also fremde Länder, die Kaiser Joseph dem Ersten nicht untertan waren, die ihre eigenen Armeen hatten, mit Vieltausenden Leutnants in kleinen und großen Garnisonen. In diesen andern Ländern bedeutete der Name des Helden von Solferino gar nichts. Auch dort gab es Monarchen. Und diese Monarchen hatten ihre eigenen Lebensretter. Es war höchst verwirrend, solchen Gedanken nachzugehen; für einen Leutnant der Monarchie genau so verwirrend wie etwa für unsereinen die Überlegung, daß die Erde nur einer von Millionen und Abermillionen Weltkörpern sei, daß 178
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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