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Radetzkymarsch
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2Kapitel Jede Woche, wenn er Stationsdienst hatte, schrieb Leutnant Trotta seine gleichtönigen Berichte an den Bezirkshauptmann. Die Kaserne hatte keine elektrische Beleuchtung. In den Wachstuben brannte man die alten, reglementmäßigen Dienstkerzen, wie zur Zeit des alten Helden von Solferino. Jetzt waren es »Apollokerzen« aus schneeweißem und weniger sprödem Stearin, mit gutgeflochtenem Docht und steter Flamme. Die Briefe des Leutnants verrieten nichts von seiner veränderten Lebensweise und von den ungewöhnlichen Verhältnissen der Grenze. Der Bezirkshauptmann vermied jede Frage. Seine Antworten, die er regelmäßig jeden vierten Sonntag an den Sohn abschickte, waren ebenso gleichförmig wie die Briefe des Leutnants. Jeden Morgen brachte der alte Jacques die Post in das Zimmer, in dem der Bezirkshauptmann seit vielen Jahren sein Frühstück einzunehmen pflegte. Es war ein etwas entlegenes, tagsüber nicht benutztes Zimmer. Das Fenster, dem Osten zugewandt, ließ bereitwillig alle Morgen, die klaren, die trüben, die warmen, die kühlen und die regnerischen, ein; es war Sommer und Winter während des Frühstücks geöffnet. Im Winter hielt der Bezirkshauptmann die Beine in einen warmen Schal gewickelt, der Tisch war nahe an den breiten Ofen gerückt, und im Ofen prasselte das Feuer, das der alte Jacques eine halbe Stunde früher angezündet hatte. Jedes Jahr am fünfzehnten April hörte Jacques auf, den Ofen zu heizen. Jedes Jahr am fünfzehnten April nahm der Bezirkshauptmann, ohne Rücksicht auf die Witterung, seine sommerlichen Morgenspaziergänge auf. Der Friseurgehilfe kam, unausgeschlafen und selbst noch unrasiert, um sechs Uhr ins Schlafzimmer Trottas. Sechs Uhr fünfzehn lag das Kinn des Bezirkshauptmanns glatt und gepudert zwischen den leicht angesilberten Fittichen des Backenbarts. Der kahle Schädel war bereits massiert, von ein paar verriebenen Tropfen Kölnischen Wassers leicht gerötet, und alle überflüssigen Härchen, die teils vor den Nasenlöchern, teils aus den Ohrmuscheln wuchsen und gelegentlich auch am Nacken über dem hohen Stehkragen wucherten, waren spurlos entfernt. Dann griff der Bezirkshauptmann zum hellen Spazierstock und zum grauen Halbzylinder und begab sich in den Stadtpark. Er trug eine weiße Weste mit grauen Knöpfen und winzigem Ausschnitt und einen taubengrauen Schlußrock. Die engen Hosen ohne Bügelfalte umspannten mittels dunkelgrauer Stege die schmalen, spitz auslaufenden Zugstiefel, ohne Kappen und Nähte, aus zartestem Chevreau. Noch waren die Straßen leer. Der städtische 122
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Radetzkymarsch
Titel
Radetzkymarsch
Autor
Joseph Roth
Datum
1932
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
294
Schlagwörter
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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