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5Kapitel
Im Norden der Stadt lag die Kaserne. Sie schloß die breite und wohlgepflegte
Landstraße ab, die hinter dem roten Ziegelbau ein neues Leben begann und
weit ins blaue Land hineinführte. Es schien, als wäre die Kaserne als ein
Zeichen der habsburgischen Macht von der kaiser- und königlichen Armee in
die slawische Provinz hineingestellt worden. Der uralten Landstraße selbst,
die von der jahrhundertelangen Wanderung slawischer Geschlechter so breit
und geräumig geworden war, verstellte sie den Weg. Die Landstraße mußte
ihr ausweichen. Sie machte einen Bogen um die Kaserne. Stand man am
äußersten Nordrand der Stadt am Ende der Straße, dort, wo die Häuser immer
kleiner wurden und schließlich zu dörflichen Hütten, so konnte man an klaren
Tagen in der Ferne das breite, gewölbte, schwarzgelbe Tor der Kaserne
erblicken, das wie ein mächtiges habsburgisches Schild der Stadt
entgegengehalten wurde, eine Drohung, ein Schutz und beides zugleich. Das
Regiment war in Mähren gelegen. Aber seine Mannschaft bestand nicht aus
Tschechen, wie man hätte glauben mögen, sondern aus Ukrainern und
Rumänen.
Zweimal in der Woche fanden die militärischen Übungen im südlichen
Gelände statt. Zweimal in der Woche ritt das Regiment durch die Straßen der
kleinen Stadt. Der helle und schmetternde Ton der Trompeten unterbrach in
regelmäßigen Abständen das regelmäßige Klappern der Pferdehufe, und die
roten Hosen der berittenen Männer auf den glänzenden, braunen Leibern der
Rösser erfüllten das Städtchen mit blutiger Pracht. An den Straßenrändern
blieben die Bürger stehn. Die Kaufleute verließen ihre Läden, die müßigen
Besucher der Kaffeehäuser ihre Tische, die städtischen Polizisten ihre
gewohnten Posten und die Bauern, die mit frischem Gemüse aus den Dörfern
auf den Marktplatz gekommen waren, ihre Pferde und Wagen. Nur die
Kutscher auf den wenigen Fiakern, die ihren Standplatz in der Nähe des
städtischen Parks hatten, blieben unbeweglich auf den Böcken sitzen. Von
oben her übersahen sie das militärische Schauspiel noch besser als die am
Straßenrand Stehenden. Und die alten Gäule schienen mit dumpfem
Gleichmut die prachtvolle Ankunft ihrer jüngeren und gesünderen Genossen
zu begrüßen. Die Rösser der Kavalleristen waren weit entfernte Verwandte
der trüben Pferde, die seit fünfzehn Jahren nur Droschken zum Bahnhof
führten und zurück.
Carl Joseph, Freiherrn von Trotta, blieben die Tiere gleichgültig.
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik