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1Kapitel
Die Trottas waren ein junges Geschlecht. Ihr Ahnherr hatte nach der Schlacht
bei Solferino den Adel bekommen. Er war Slowene. Sipolje – der Name des
Dorfes, aus dem er stammte – wurde sein Adelsprädikat. Zu einer besondern
Tat hatte ihn das Schicksal ausersehn. Er aber sorgte dafür, daß ihn die
späteren Zeiten aus dem Gedächtnis verloren. In der Schlacht bei Solferino
befehligte er als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde
war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Rücken
seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite stand. Heiter
waren alle und sicher des Sieges. Sie hatten ausgiebig gegessen und
Branntwein getrunken, auf Kosten und zu Ehren des Kaisers, der seit gestern
im Felde war. Hier und dort fiel einer aus der Reihe. Trotta sprang flugs in
jede Lücke und schoß aus den verwaisten Gewehren der Toten und
Verwundeten. Bald schloß er dichter die gelichtete Reihe, bald wieder dehnte
er sie aus, nach vielen Richtungen spähend mit hundertfach geschärftem
Auge, nach vielen Richtungen lauschend mit gespanntem Ohr. Mitten durch
das Knattern der Gewehre klaubte sein flinkes Gehör die seltenen, hellen
Kommandos seines Hauptmanns. Sein scharfes Auge durchbrach den
blaugrauen Nebel vor den Linien des Feindes. Niemals schoß er, ohne zu
zielen, und jeder seiner Schüsse traf. Die Leute spürten seine Hand und seinen
Blick, hörten seinen Ruf und fühlten sich sicher.
Der Feind machte eine Pause. Durch die unabsehbar lange Reihe der Front
lief das Kommando: »Feuer einstellen!« Hier und dort klapperte noch ein
Ladestock, hier und dort knallte noch ein Schuß, verspätet und einsam. Der
blaugraue Nebel zwischen den Fronten lichtete sich ein wenig. Man stand auf
einmal in der mittäglichen Wärme der silbernen, verdeckten, gewitterlichen
Sonne. Da erschien zwischen dem Leutnant und den Rücken der Soldaten der
Kaiser mit zwei Offizieren des Generalstabs. Er wollte gerade einen
Feldstecher, den ihm einer der Begleiter reichte, an die Augen führen. Trotta
wußte, was das bedeutete: Selbst wenn man annahm, daß der Feind auf dem
Rückzug begriffen war, so stand seine Nachhut gewiß gegen die Österreicher
gewendet, und wer einen Feldstecher hob, gab ihr zu erkennen, daß er ein Ziel
sei, würdig, getroffen zu werden. Und es war der junge Kaiser. Trotta fühlte
sein Herz im Halse. Die Angst vor der unausdenkbaren, der grenzenlosen
Katastrophe, die ihn selbst, das Regiment, die Armee, den Staat, die ganze
Welt vernichten würde, jagte glühende Fröste durch seinen Körper. Seine
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Buch Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Titel
- Radetzkymarsch
- Autor
- Joseph Roth
- Datum
- 1932
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 294
- Schlagwörter
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Kategorien
- Weiteres Belletristik