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Radetzkymarsch
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»Zahlen!« ruft der Hauptmann. – Er umarmt den Leutnant. Er drückt ihn lange und herzlich an die Brust. »Also mit Gott!« sagt er, die Augen voller Tränen. Auf der Straße war bereits der ganze Morgen vorhanden, der Morgen einer kleinen östlichen Stadt, voll vom Duft der Kastanienkerzen, des eben erblühten Flieders und der frischen, säuerlichen, schwarzen Brote, die von den Bäckern in großen Körben ausgetragen wurden. Die Vögel lärmten, es war ein unendliches Meer aus Gezwitscher, ein tönendes Meer in der Luft. Ein blaßblauer, durchsichtiger Himmel spannte sich glatt und nahe über den grauen, schiefen Schindeldächern der kleinen Häuser. Die winzigen Fuhrwerke der Bauern rollten weich und langsam und noch schläfrig über die staubige Straße und verstreuten nach allen Seiten Strohhalme, Häcksel und trockenes Heu vom vorigen Jahr. Am freien östlichen Horizont stieg sehr schnell die Sonne empor. Ihr entgegen ging Leutnant Trotta, ein wenig ernüchtert durch den sachten Wind, der dem Tag voranwehte, und erfüllt von der stolzen Absicht, den Kameraden zu retten. Es war nicht einfach, das Pferd zu verkaufen, ohne vorher den Bezirkshauptmann um Erlaubnis zu fragen. Man tat es für den Freund! Es war auch nicht so einfach – und was wäre für den Leutnant Trotta in diesem Leben einfach gewesen! –, Chojnicki das Pferd anzutragen. Aber je schwieriger das Unterfangen erschien, desto rüstiger und entschlossener marschierte ihm Trotta entgegen. Schon schlug es vom Turm. Trotta erreichte den Eingang zum »neuen Schloß« in dem Augenblick, in dem Chojnicki, gestiefelt und die Peitsche in der Hand, sein sommerliches Gefährt besteigen wollte. Er bemerkte die falsche rötliche Frische im hageren und unrasierten Gesicht des Leutnants, die Schminke der Trinker. Sie lag über der wirklichen Blässe des Angesichts wie der Widerschein einer roten Lampe über einem weißen Tisch. Er geht zugrunde! dachte Chojnicki. »Ich wollte Ihnen einen Vorschlag machen!« sagte Trotta. »Wollen Sie mein Pferd?« – Die Frage erschreckte ihn selbst. Auf einmal wurde es ihm schwer zu sprechen. »Sie reiten nicht gern, wie ich weiß, Sie sind ja auch von der Kavallerie weg, nun ja – es ist Ihnen also einfach unsympathisch, sich um das Tier zu sorgen, da Sie es doch nicht gern benützen, nun ja – aber es könnte Ihnen doch leid tun.« »Nein!« sagte Trotta. Er wollte nichts verheimlichen. »Ich brauche Geld.« Der Leutnant schämte sich. Es gehörte nicht zu den unehrenhaften, verpönten, zweifelhaften Handlungen, Geld bei Chojnicki zu leihen. Und dennoch war es Carl Joseph, als begänne er mit der ersten Anleihe eine neue Etappe seines Lebens und als bedürfte er dazu der väterlichen Erlaubnis. Der Leutnant schämte sich. Er sagte: »Um es klar zu sagen: Ich habe für einen 162
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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