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Radetzkymarsch
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Aber um auch ihr wirkliches Alter zu vernichten, auszurotten, in dem Meer ihrer Leidenschaft zu versenken, griff sie nach den Schultern des Leutnants, deren zarte und warme Knochen schon ihre Hände zu verwirren begannen, und zog ihn zum Sofa. Sie überfiel ihn mit ihrer gewaltsamen Sehnsucht, jung zu werden. In heftigen Flammenbögen brach die Leidenschaft aus ihr, fesselte den Leutnant und unterjochte ihn. Ihre Augen blinzelten dankbar und selig das junge Angesicht des Mannes über dem ihrigen an. Sein Anblick allein verjüngte sie. Und ihre Wollust, eine ewig junge Frau zu bleiben, war so groß wie ihre Wollust zu lieben. Eine Weile glaubte sie, niemals von diesem Leutnant lassen zu können. Einen Augenblick später sagte sie allerdings: »Schade, daß du heute fährst! … « »Werd’ ich dich nie mehr sehen?« fragte er fromm, ein junger Liebhaber. »Wart auf mich, ich komm’ wieder!« Und: »Betrüg mich nicht!« fügte sie schnell hinzu, mit der Furcht der alternden Frau vor der Untreue und vor der Jugend der anderen. »Ich liebe nur dich!« antwortete aus ihm die ehrliche Stimme eines jungen Mannes, dem nichts so wichtig erscheint wie die Treue. Das war ihr Abschied. Leutnant Trotta fuhr zur Bahn, kam zu früh und mußte lange warten. Ihm war es aber, als führe er schon. Jede Minute, die er noch in der Stadt zugebracht hätte, wäre peinvoll, vielleicht sogar schmachvoll gewesen. Er milderte den Zwang, der ihn befehligte, indem er sich den Anschein gab, ein wenig früher wegzufahren, als er mußte. Er konnte endlich einsteigen. Er verfiel in einen glücklichen, selten unterbrochenen Schlaf und erwachte erst kurz vor der Grenze. Sein Bursche Onufrij erwartete ihn und berichtete, daß Aufruhr in der Stadt herrsche. Die Borstenarbeiter demonstrierten, und die Garnison hatte Bereitschaft. Leutnant Trotta begriff jetzt, warum Chojnicki die Gegend so früh verlassen hatte. Da fuhr er also »nach dem Süden« mit Frau von Taußig! Und man war ein schwacher Gefangener und konnte nicht sofort umkehren, den Zug besteigen und zurückfahren! Vor dem Bahnhof warteten heute keine Wagen. Leutnant Trotta ging also zu Fuß. Hinter ihm ging Onufrij, den Ranzen in der Hand. Die kleinen Kramläden des Städtchens waren geschlossen. Eiserne Balken verrammelten die hölzernen Türen und Fensterläden der niedrigen Häuser. Gendarmen patrouillierten mit aufgepflanzten Bajonetten. Man hörte keinen Laut, außer dem gewohnten Quaken der Frösche aus den Sümpfen. Den Staub, den diese 180
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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