Page - 212 - in Radetzkymarsch
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»So! Nobel ist er!« wiederholte Herr von Trotta.
Er kehrte schnell zum Schreibtisch zurück, riß eine Schublade hervor,
blätterte in Geldscheinen, zog ein paar heraus und gab sie dem Maler. Moser
legte das Geld in den Hut zwischen das zerschlissene Unterfutter und den Filz
und erhob sich. »Einen Moment!« sagte der Bezirkshauptmann. Er ging zur
Tür, sperrte sie auf und sagte dem Amtsdiener: »Begleiten Sie den Herrn
Professor zur Bahn. Er fährt nach Wien. Der Zug geht in einer Stunde!«
»Ergebenster Diener!« sagte Moser und machte eine Verbeugung. Der
Bezirkshauptmann wartete ein paar Minuten. Dann nahm er Hut und Stock
und ging ins Kaffeehaus.
Er hatte sich ein wenig verspätet. Doktor Skowronnek saß schon am Tisch,
das Schachbrett mit den aufgestellten Figuren vor sich. Herr von Trotta setzte
sich. »Schwarz oder weiß, Herr Bezirkshauptmann?« fragte Skowronnek.
»Ich spiele heute nicht!« sagte der Bezirkshauptmann. Er bestellte einen
Cognac, trank ihn und begann:
»Ich möchte Sie belästigen, Herr Doktor!«
»Bitte!« sagte Skowronnek.
»Es handelt sich um meinen Sohn«, begann der Bezirkshauptmann. Und in
seiner amtlichen, langsamen, ein wenig näselnden Sprache berichtete er von
seinen Sorgen, als spräche er von dienstlichen Angelegenheiten zu einem
Statthaltereirat. Er teilte gewissermaßen seine Sorgen in Haupt- und
Untersorgen. Und Punkt für Punkt, mit kleinen Absätzen, trug er Doktor
Skowronnek die Geschichte seines Vaters vor, seine eigene und die seines
Sohnes. Als er geendet hatte, waren alle Gäste verschwunden und die
grünlichen Gasflammen im Spielzimmer schon entzündet, und ihr eintöniger
Gesang summte über den leeren Tischen.
»So! Das ist es also!« schloß der Bezirkshauptmann.
Es blieb lange still zwischen den beiden Männern. Der Bezirkshauptmann
wagte nicht, den Doktor Skowronnek anzusehen. Und der Doktor
Skowronnek wagte nicht, den Bezirkshauptmann anzusehen. Und sie
schlugen die Augen voreinander nieder, als hätten sie sich gegenseitig auf
einer blamablen Tat ertappt. Endlich sagte Skowronnek:
»Vielleicht steckt eine Frau dahinter? Welchen Grund hätte Ihr Sohn, so oft
in Wien zu sein?«
Der Bezirkshauptmann hätte in der Tat niemals an eine Frau gedacht. Es
erschien ihm selbst unfaßbar, daß er auf diesen selbstverständlichen
Gedanken nicht sofort gekommen war. Denn alles – und es war gewiß nicht
viel –, was er jemals von dem verderblichen Einfluß vernommen hatte, den
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik