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Radetzkymarsch
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und lediglich vorgeträumt zu haben glaubte. Die stillen Restaurants öffneten sich. Die stillen Nachtmähler begannen, in Winkeln, in denen der Wein, den man trank, auch zu wachsen schien, gereift von der Liebe, die hier im Dunkeln ewig leuchtete. Der Abschied kam, eine letzte Umarmung am Nachmittag, von der ständig tickenden Mahnung der Taschenuhr, die auf dem Nachttisch lag, begleitet und schon erfüllt von der Freude auf das nächste Wiedersehen; und die Hast, mit der man zum Zug drängte; und der allerletzte Kuß auf dem Trittbrett und die im letzten Augenblick aufgegebene Hoffnung, doch noch mitzufahren. Müde, aber erfüllt von allen Süßigkeiten der Welt und der Liebe, kam Leutnant Trotta wieder in seinem Garnisonort an. Sein Diener Onufrij hielt die Uniform schon bereit. Trotta zog sich im Hinterzimmer des Restaurants um und fuhr in die Kaserne. Er ging in die Kompaniekanzlei. Alles in Ordnung, nichts vorgefallen. Hauptmann Jedlicek war froh, heiter, wuchtig und gesund wie immer. Leutnant Trotta fühlte sich erleichtert und zugleich enttäuscht. In einem verborgenen Winkel seines Herzens hatte er eine Katastrophe erhofft, die ihm den weiteren Dienst in der Armee unmöglich gemacht hätte. Er wäre dann sofort umgekehrt. Aber es war nichts vorgefallen. Und also mußte er noch zwölf Tage hier warten, eingesperrt zwischen den vier Mauern des Kasernenhofes, innerhalb der wüsten Gäßchen dieser Stadt. Er warf einen Blick auf die Schießfiguren rings an den Wänden des Kasernenhofes. Kleine, blaue Männchen, von Schüssen zerfetzt und wieder nachgemalt, erschienen sie dem Leutnant wie boshafte Kobolde, Hausgeister der Kaserne, sie selbst drohend mit Waffen, von denen sie getroffen wurden, keine Ziele mehr, sondern gefährliche Schützen. Sobald er ins Hotel Brodnitzer kam, sein kahles Zimmer betrat, sich aufs eiserne Bett warf, faßte er den Entschluß, von seinem nächsten Urlaub nicht mehr in die Garnison zurückzukehren. Diesen Entschluß auszuführen, war er nicht imstande. Er wußte es auch. Und er wartete in Wirklichkeit auf irgendein merkwürdiges Glück, das ihm eines Tages in die Arme fallen und ihn befreien würde für alle Zeiten: von der Armee und von der Notwendigkeit, sie aus freien Stücken zu verlassen. Alles, was er tun konnte, bestand darin, daß er aufhörte, seinem Vater zu schreiben, und daß er ein paar Briefe des Bezirkshauptmanns liegenließ, um sie später einmal zu öffnen; später einmal … Die nächsten zwölf Tage rollten vorüber. Er öffnete den Kleiderkasten, betrachtete seinen Zivilanzug und wartete auf das Telegramm. Immer kam es um diese Stunde, in der Dämmerung, kurz vor dem Anbruch der Nacht, wie ein Vogel, der heimkehrt in sein Nest. Aber heute kam es nicht, auch nicht, als die Nacht schon eingebrochen war. Der Leutnant zündete kein Licht an, um 222
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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