Page - 232 - in Radetzkymarsch
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mit diesem unseligen Leutnant? Es hatte schon Mühe gekostet, jene
Streikgeschichte niederzuschlagen, Unheil, Unheil häufte sich über dem Kopf
Major Zoglauers, Unheil über Trotta, Unheil über diesem Bataillon. Er hätte
gern die Hände gerungen, der Major Zoglauer, wenn es nur möglich gewesen
wäre, im Dienst die Hände zu ringen. Und wenn auch alle Offiziere des
Bataillons für Leutnant Trotta gutstanden, die Summe kam nicht zusammen!
Und die Geschichte verwickelte sich nur mehr, wenn die Summe nicht bezahlt
wurde. »Wozu haben S’ denn so viel gebraucht?« fragte Zoglauer, erinnerte
sich aber im Nu, daß er alles wußte. Er winkte mit der Hand. Er wünschte
keine Auskunft. »Schreiben Sie an Ihren Herrn Papa vor allen Dingen!« sagte
Zoglauer. Es kam ihm vor, daß er da eine glänzende Idee ausgedrückt hatte.
Und der Rapport war beendet.
Und Leutnant Trotta ging nach Haus und setzte sich hin und begann, an den
Herrn Papa zu schreiben. Er konnte es ohne Alkohol nicht. Und er stieg
hinunter ins Café, bestellte einen Neunziggrädigen, Tinte, Feder und Papier.
Er begann. Welch ein schwerer Brief! Welch ein unmöglicher Brief! Leutnant
Trotta setzte ein paarmal an, vernichtete die Anfänge, begann wieder. Nichts
ist schwieriger für einen Leutnant, als Ereignisse aufzuschreiben, die ihn
selbst betreffen und sogar gefährden. Es erwies sich bei dieser Gelegenheit,
daß Leutnant Trotta, dem der Dienst in der Armee seit langem schon verhaßt
war, noch genug soldatischen Ehrgeiz besaß, um sich nicht aus der Armee
entfernen zu lassen. Und während er seinem Vater den verwickelten
Sachverhalt darzustellen versuchte, verwandelte er sich wieder unversehens in
den Kadettenschüler Trotta, der einst auf dem Balkon des väterlichen Hauses
bei den Klängen des Radetzkymarsches für Habsburg und Österreich zu
sterben gewünscht hatte. (So merkwürdig, so wandelbar und so verworren ist
die menschliche Seele.)
Es dauerte mehr als zwei Stunden, bis Trotta den Sachverhalt zu Papier
gebracht hatte. Es war später Nachmittag geworden. Schon versammelten sich
die Karten- und die Roulettespieler im Kaffeehaus. Auch der Wirt, Herr
Brodnitzer, kam. Seine Höflichkeit war ungewöhnlich und erschreckend. Er
machte eine so tiefe Verbeugung vor dem Leutnant, daß dieser sofort
erkannte, der Wirt wolle ihn an die Szene mit Kapturak erinnern und an die
eigene authentische Zeugenschaft. Trotta erhob sich, um nach Onufrij zu
suchen. Er ging in den Flur und rief ein paarmal den Namen Onufrijs zur
Treppe hinauf. Aber Onufrij meldete sich nicht. Brodnitzer aber kam und
berichtete: »Ihr Diener ist heute früh weggegangen!«
Der Leutnant machte sich also selbst auf den Weg zur Bahn, um seinen
Brief zu befördern. Erst unterwegs fiel es ihm auf, daß Onufrij weggegangen
war, ohne um Erlaubnis gebeten zu haben. Seine militärische Erziehung
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik